Die fatalen Folgen der Hollywood-Hacker

In Filmen erscheinen Computer als Zauberkisten – mit bedenklichen Folgen. Nun will eine neue Generation von Produzenten der Wirklichkeit näher kommen. Es wird höchste Zeit.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Cory Doctorow
Inhaltsverzeichnis

Jahrzehntelang hat Hollywood Computer als Zauberkisten eingesetzt, mit denen sich die Handlung in jede beliebige Richtung treiben lässt – auch wenn das manchmal gegen den gesunden Menschenverstand verstieß. In Fernsehserien und Kinofilmen gibt es Rechenzentren, die nur durch Einlassschleusen unter dem Meer zu betreten sind, Kryptografie, die sich mit einem Universalschlüssel knacken lässt, und E-Mails, die Buchstabe für Buchstabe eintreffen, jeder davon großgeschrieben.

"Hacker-Schwachsinn aus Hollywood", sagt eine Figur namens Romero dazu in einer frühen Folge von "Mr. Robot", einer US-Fernsehserie, die jetzt in ihrer zweiten Staffel läuft. "Ich bin seit 27 Jahren in diesem Spiel. In dieser Zeit habe ich kein einziges Mal einen animierten Virus gesehen, der singt."

TR 3/17

"Mr. Robot" markiert einen Wendepunkt bei der Art und Weise, wie Computer und Hacker in der Populärkultur dargestellt werden – und der kommt keinen Augenblick zu früh. Denn der hartnäckig ignorante Umgang mit Computern im Film hat gravierende Folgen, mit denen wir uns seit Jahrzehnten herumschlagen.

In "Mr. Robot" geht es um Hacks, Datendiebstähle und Katastrophen bei der Informationssicherheit, die es in jüngerer Vergangenheit tatsächlich gegeben hat. Jede Folge umfasst einen Zeitraum von ungefähr einem Jahr vor der Erstausstrahlung. Wenn Hacker in der Serie etwas hacken, sprechen sie darüber so, wie echte Hacker über das Hacken sprechen. Die Serie besticht aber nicht nur durch die Sprache, sondern auch durch ihre Handlung. Der eigentliche Akt des Hackens ist naturgemäß langweilig – ungefähr so aufregend wie ein Airline-Mitarbeiter, der einen Flug für Sie eingibt. "Mr. Robot" aber schafft es, exakt die Anthropologie des Hackens darzustellen, und die ist absolut faszinierend.

Die Art und Weise, wie Hacker entscheiden, was sie sich vornehmen und wie sie es anstellen, ist in der Gesellschaftsgeschichte ohne Beispiel. Denn Hacker sind eine Untergrundbewegung, die anders als jede andere in der Vergangenheit über exzellente, kontinuierliche und globale Kommunikationsmöglichkeiten verfügt. Außerdem gibt es bei ihnen intensive Machtkämpfe, technische und taktische Diskussionen sowie schwierige moralische Fragen.

Es wurde auch Zeit. Denn bis vor Kurzem hat sich etwas gehalten, das Geeks als "Hollywood OS" bezeichnen: Auf Computern geschehen wundersame Dinge, nur damit die Handlung am Laufen bleibt. Die Folge waren nicht nur schlechte Filme, sondern auch Verwirrung bei den Zuschauern über die Frage, was Computer können und was nicht. Die falsche Darstellung hat zudem dafür gesorgt, dass wir vor den falschen Sachen Angst haben. Den Hacker-Film "WarGames" nahm die Legislative in den USA sogar zum Anlass, ein furchtbares Gesetz zu verabschieden, das konkreten Schaden angerichtet hat.

Im Jahr 1983 schaffte der Schauspieler Matthew Broderick mit diesem Film seinen Durchbruch. Er spielt David Lightman, einen intelligenten, gelangweilten Teenager aus Seattle, der mit seinem primitiven Modem automatisch Nummern anwählt und so nach Systemen zum Eindringen und Erkunden sucht. Als er sich mit einem mysteriösen System verbindet, das ein internes Netz für eine Spieleentwicklerfirma zu sein scheint, löst er fast den Dritten Weltkrieg aus. Denn in Wirklichkeit ist er im Pentagon gelandet, und das vermeintliche Spiel "Globaler Thermonuklearer Krieg", das er dort startet, ist ein autonomes System zur nuklearen Vergeltung, das Tausende von Interkontinentalraketen auf die UdSSR abfeuern soll.

"WarGames" hat viele jungen Menschen dazu gebracht, sich Geld für ein 300-Baud-Modem zusammenzuschnorren und mit vernetzter Kommunikation zu experimentieren. Linguistisch sind in dieser Zeit die Ausdrücke "wardialing" (das Wählen vieler Telefonnummern nacheinander) und in der Folge "warwalking" und "wardriving" (Suchen nach offenen WLAN-Netzen) entstanden. Der Film war nicht allzu schlecht bei der Darstellung, wie ein junger Außenseiter bei einem Hacking-Versuch vorgehen könnte. Er traf dabei zwar auf weniger Sicherheitsvorkehrungen, als es tatsächlich gab, korrekt aber scheint zu sein, dass als Startcode für sämtliche Raketen "00000000" festgelegt worden war.

Wirklich schlimm an "WarGames" – und die wichtigste Hinterlassenschaft des Films – war jedoch die Reaktion, die er bei den in Panik geratenen Gesetzgebern auslöste. Im Jahr 1984 verabschiedete der US-Kongress den Computer Fraud and Abuse Act (CFAA). Das 1986 noch einmal erweiterte umfassende Gesetz gegen Hacking war inspiriert von der Vorstellung, die Matthew Brodericks der USA könnten den Weltuntergang herbeiführen. Vor der Verabschiedung des Gesetzes war für die strafrechtliche Verfolgung von Hackern ein Wirrwarr aus rechtlichen Theorien erforderlich. Kriminelle, die in sensible Datenbanken einbrachen, wurden zum Beispiel wegen Diebstahls des für die Aktion nötigen Stroms angeklagt.

Den Verfassern des Gesetzes war klar: Wenn sie die zu ihrer Zeit aktuellen Hacking-Techniken explizit verboten hätten, wären diese Verbote durch technischen Fortschritt schnell überholt gewesen, sodass Strafverfolger in Zukunft erneut zu wilden Rechtskonstruktionen hätten greifen müssen. Also gaben sie dem CFAA eine außergewöhnlich breite Definition von dem, was kriminelles "Hacking" sein soll. Jeder, der unautorisiert auf ein Computersystem zugreift, wurde dadurch potenziell zum Kriminellen.

Das Prinzip ist einfach: Legal dürfen Computer nur so benutzt werden, wie es ihr Eigentümer erlaubt hat. Trotzdem aber hat sich das CFAA als überaus schädliche Bedrohung erwiesen. Der Rechtsdozent Tim Wu bezeichnet es als "das schlechteste Gesetz im Technologiebereich". Der Grund dafür ist, dass Unternehmen (und US-Staatsanwälte) zu der Ansicht gekommen sind, die "Autorisierung" zur Nutzung eines Online-Dienstes sei durch die Endnutzer-Lizenzvereinbarung definiert – durch die Tausende Worte juristischen Kauderwelschs also, die niemand je liest. Verstöße gegen diese Vereinbarung gelten somit als Straftat.