Erfolge mit individuellen Krebsimpfungen

Eine einfache Impfung gegen Krebs ist nicht möglich, weil Tumore aus körpereigenen Zellen bestehen. Wirkung zeigten jetzt jedoch Impfstoffe, die anhand individueller Mutationen auf den einzelnen Patienten abgestimmt sind.

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Von
  • Emily Mullin
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Seit Jahrzehnten suchen Krebsforscher nach einem Impfstoff, der dem Körper beibringt, selektiv nur Tumoren zu zerstören. Viele Kandidaten dafür wurden bereits klinisch getestet, brachten aber kaum oder gar keinen Erfolg. Jetzt jedoch scheinen zwei Konzepte für personalisierte Krebsimpfungen bei einem Dutzend Patienten mit Hautkrebs im fortgeschrittenen Stadium Rückfälle effektiv verhindert zu haben.

In den vergangenen Jahren haben Wissenschaftler erkannt, dass der Tumor jedes Patienten ganz individuelle genetische Eigenschaften, Mutationen also, aufweist. Damit Krebsimpfungen effektiv sind, müssen sie also wahrscheinlich ebenso individuell sein. Zwei klinische Studien, über die vergangene Woche in der Fachzeitschrift Nature berichtet wurde, gehören zu den ersten, die zeigen, dass dies möglich sein könnte.

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In der einen Studie waren 8 von 13 Melanom-Patienten, die einen personalisierten Impfstoff erhielten, fast zwei Jahre nach der Behandlung noch tumorfrei. In einer zweiten, kleineren Studie hatten 4 von 6 Patienten, die eine Impfung bekamen, anschließend mehr als zwei Jahre lang keinen erkennbaren Krebs mehr. Bei allen Patienten wurden die Tumore vor der Impfung operativ entfernt.

Laut Fred Ramsdell, Vice President für Forschung am Parker Institute for Cancer Immunotherapy, zeigen die Ergebnisse, dass es möglich ist, das Immunsystem von Patienten dazu zu bringen, den eigenen spezifischen Krebs zu erkennen.

"Im Wesentlichen maximieren die Autoren der Studien die Wahrscheinlichkeit einer starken, effektiven Reaktion auf Proteine, die nur in den Tumorzellen eines individuellen Patienten vorhanden sind", erklärt Ramsdell, der an diesen Projekten nicht beteiligt war. "Es ist wie eine Impfung gegen eine Grippeart, die nur einen bestimmten Menschen infizieren würde."

Die maßgeschneiderten Impfstoffe sind eine neu aufkommende Klasse von Therapien auf der Grundlage von Neoantigenen, also Proteinen, die auf Tumoren auftreten und offenbar bei jedem Krebspatienten einzigartig sind. Zur Produktion der Impfstoffe sequenzierten die Forscher zunächst DNA und RNA aus den Tumoren ihrer Patienten. Mit Hilfe von Computer-Algorithmen analysierten sie dann die Mutationen jedes Tumors, um die besten Neoantigen-Ziele zu erkennen. Auf Grundlage dieser Daten schufen sie zuletzt einen personalisierten Impfstoff mit bis zu 20 dieser Neoantigene, der jedem Patient im Verlauf einiger Monate mehrmals injiziert wurde.

In jüngerer Vergangenheit sind mehrere neue Unternehmen zur Entwicklung von Neoantigen-Therapien entstanden. Zu ihnen zählen BioNTech, Advaxis, Gritstone Oncology und Neon Therapeutics, gegründet von Catherine Wu vom Dana Farber Institute, Autorin einer der beiden jetzt veröffentlichten Studien. Neoantigene stehen auch im Fokus eines im vergangenen Jahr am Institut von Ramsdell gestarteten Projekts, bei dem es darum geht, die besten Methoden zur Herstellung von personalisierten Krebsimpfungen zu bestimmen.

Therapeutische Krebsimpfstoffe sind eine Form der Immuntherapie mit dem Ziel, das Immunsystem eines Menschen gegen einen Krebs zu mobilisieren, der sich bereits im Körper befindet. Sie funktionieren ähnlich wie andere Impfungen, die das Immunsystem stimulieren, damit es fremde Zellen im Körper erkennt und zerstört. Bei Krebszellen handelt es sich jedoch um körpereigene Zellen, was es schwierig macht, dass Immunsystem so zu "schulen", dass es sie erkennt. Krebsimpfstoffe mit Neoantigenen gelten in der Wissenschaft als eine der Möglichkeiten dafür.

Gleichzeitig aber müssen Krebsforscher feststellen, dass Immuntherapien einschließlich Krebsimpfungen nicht bei jedem Patienten helfen. Ob der Ansatz funktioniert, hängt von der Identifizierung der Mutationen beim individuellen Tumor ab, erklärt Wu. Je mehr Mutationen, desto besser scheint die Therapie zu wirken.

"Wir wissen, dass Immuntherapien erfolgreich sind, bislang aber nur bei Patienten, die Tumore mit vielen Mutationen haben", sagt Ugur Sahin, Onkologe an der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und CEO von BioNTech, Autor der größeren der beiden aktuellen Studien.

Eine große offene Frage bei individuellen Krebsimpfungen lautet, ob sie auch im großen Maßstab praktikabel wären. Traditionell werden Medikamente in großen Volumina produziert und können für die Behandlung beliebiger Patienten gelagert werden. Personalisierte Krebsimpfstoffe dagegen müssten für jeden Patienten maßgeschneidert werden.

(sma)