Teleportation ins All

Chinesische Forscher haben erstmals Information über den Zustand von Photonen vom Boden bis zu einem Satelliten in 500 Kilometern Höhe teleportiert – für sie ein wichtiger Schritt zu einem Quanten-Internet auf der Erde.

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Im vergangenen Jahr wurde vom Satelliten-Startzentrum Jiuquan in der Wüste Gobi aus eine Rakete vom Typ Langer Marsch 2D mit einem Satelliten namens Micius als Fracht ins All geschickt. Micius wurde in eine sonnensynchrone Umlaufbahn gebracht, so dass er jeden Tag zur selben Zeit denselben Punkt auf der Erde überquert.

Micius ist ein hochempfindlicher Photonen-Empfänger, der die Quantenzustände von einzelnen, von der Erde gesendeten Photonen erkennen kann. Das ist wichtig, um mit den technischen Bausteinen für verschiedene Quanten-Tricks zu experimentieren – Verschränkung, Kryptografie oder Teleportation.

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Jetzt hat das Micius-Team die Ergebnisse seines ersten Experiments bekanntgegeben. Die Forscher haben demnach das erste Quanten-Netz zwischen Erde und einem Satelliten geschaffen und dabei zugleich den Rekord für die längste Entfernung gebrochen, über die bislang eine Verschränkung gemessen wurde. Und sie haben dieses Quanten-Netz genutzt, um erstmals Information über den Zustand von Photonen von der Erde in eine Umlaufbahn zu teleportieren.

Teleportation beruht auf dem merkwürdigen Phänomen der Verschränkung. Diese liegt vor, wenn im selben Augenblick und am selben Ort zwei Quantenobjekte, beispielsweise Photonen, entstehen, so dass sie sozusagen eine gemeinsame Existenz haben. Technisch sagt man dazu, sie haben dieselbe Wellenfunktion. Das Eigenartige an einer solchen Verschränkung ist, dass die gemeinsame Existenz auch dann anhält, wenn die Photonen durch riesige Entfernungen getrennt werden. Eine Messung beim einen führt also ohne jeden Zeitverzug zu einer Zustandsänderung des anderen, egal wie weit entfernt sie voneinander sind.

In den 1990er Jahren erkannten Wissenschaftler, dass sich diese Verbindung nutzen lässt, um Quanten-Informationen von einem Ort im Universum zu einem anderen zu übertragen. Die Idee dahinter ist, alle Informationen über ein Photon am einen Ort "herunterzuladen" und sie über den Verschränkungseffekt zu einem anderen Photon an einem anderen Ort zu übertragen.

Das zweite Photon nimmt dann die Identität des ersten an – im Grunde genommen wird es selbst zu dem ersten Photon. Das ist das Wesen von Teleportation, und in Laboren auf der Erde ist sie schon viele Male gelungen.

Der Theorie nach dürfte es keine Grenze für die Entfernung geben, über die das funktioniert. Doch Verschränkung ist ein fragiler Zustand, weil Photonen mit Materie in der Atmosphäre oder innerhalb von Glasfasern interagieren, so dass sie leicht verloren gehen kann. "Frühere Teleportationsexperimente waren aufgrund von Photonen-Verlust in Glasfasern oder in freien terrestrischen Kanälen auf Entfernungen um 100 Kilometer beschränkt", schreibt das Micius-Team.

Der Satellit aber kreist in einer Höhe von 500 Kilometern, und den Großteil dieser Entfernung über können Photonen sich durch ein Vakuum bewegen. Um möglichst wenig Atmosphäre im Weg zu haben, richtete das chinesische Team seine Bodenstation in Ngari in Tibet auf einer Höhe von mehr als 4000 Metern ein. Die Entfernung von dort zum Satelliten schwankt also zwischen 1400 Kilometern, wenn er sich nahe am Horizont befindet, bis zu 500 Kilometern direkt über der Station.

Für das Experiment erzeugten die Forscher am Boden verschränkte Photonen-Paare – ungefähr 4000 pro Sekunde. Dann sendeten sie die Zustandsinformationen zum Satelliten, der jeden Tag um Mitternacht die Station passierte.

Zuletzt wurden die Photonen am Boden und in der Umlaufbahn gemessen, um zu überprüfen, dass die Verschränkung noch vorhanden war. Wie sich zeigte, konnten tatsächlich die Informationen der Photonen teleportiert werden. Im Lauf von 32 Tagen schickten die Forscher Millionen Photonen-Informationen los und kamen in 911 Fällen auf positive Ergebnisse. "Wir melden die erste Quanten-Teleportation von unabhängigen Einzelphoton-Qubits von einer Bodenstation zu einem Satelliten in einer niedrigen Erdumlaufbahn – über einen Uplink-Kanal – mit einer Entfernung von bis zu 1400 Kilometern", schreiben sie.

Dies ist das erste Mal, dass Information über ein Objekt von der Erde in eine Umlaufbahn teleportiert wurde; gleichzeitig haben die Forscher den Rekord für die längste Entfernung bei einer Verschränkung eingestellt. "Die Arbeit belegt den ersten Uplink vom Boden zu einem Satelliten für eine originalgetreue Quanten-Teleportation über extrem lange Distanzen. Dies ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem Quanten-Internet im globalen Maßstab", berichtet das Team.

Korrektur, 13.7.2017, 11 Uhr: Der Artikel wurde dahingehend präzisiert, dass nicht Masse teleportiert wurde, sondern Information über den Zustand der Partikel.

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