Provider kritisieren Pläne für Urheberrechtsreform
Einen radikalen Angriff auf das Haftungsprivileg der Provider durch die Hintertür sehen die Interessenverbände der Wirtschaft in den jüngsten Vorschlägen der EU-Urheberrechtsreform.
Die Auswirkungen der geplanten Urheberrechtsrichtlinie könnten massiv sein, wenn der EU-Gesetzgeber geplante Filter- und Monitoringverpflichtungen (Art. 13) nicht präzisiert und verfolgt. "Jeder europäische Provider, vor allem jeder Cloudprovider ist betroffen", kommentierte Innocenco Genna, Vertreter der italienischen Provider beim Verband EuroISPA gegenüber heise online.
"Haftungsprivileg wird ausgehöhlt"
Die Anfang der Woche verabschiedeten Berichte des Kultur- und Wirtschaftsausschusses im Europaparlament würden das Haftungsprivileg, das Provider derzeit nach der E-Commerce Richtlinie extrem aushöhlen. Die Effekte seien größer, sagte Genna, als sich das viele Leute und möglicherweise auch die Parlamentarier vorstellen.
Im abgestimmten Text des Kulturausschusses, der auf der offiziellen EU-Website vorerst noch fehlt, heißt es, "wo in Ermangelung einer Aufforderung durch die Rechteinhaber eine Lizenzvereinbarung unterbleibt oder Information Society Service Provider, die in großer Zahl urheberrechtlich geschützte Werke oder andere Inhalte speichern und/oder öffentlichen Zugang dazu bieten, von ihrem Haftungsprivileg nach Artikel 14 der Richtlinie 2000/31/EC Gebrauch machen, sollen diese Provider gemeinsam mit den Rechteinhabern Maßnahmen treffen, die Verfügbarkeit von Werken oder anderen Inhalten zu unterbinden, die von Rechteinhabern gekennzeichnet werden".
Betroffen wären sowohl Cloudprovider als auch Provider, die nicht speichern, sondern nur Zugang geben, etwa Streamingdienste, erklärt die grüne Schattenberichterstatterin Julia Reda.
Filtershopping bei Google/Youtube
Der eco-Verband warnt, solche weitgehenden Formulierungen träfen selbst einfache Zugangsprovider. Die einzigen, die nur geringe Probleme mit diesen Regelungen hätten, seien "die eigentlich als ursächlich für die neuen Regelungsvorschläge bezeichneten großen Plattformen Google/YouTube", teilt eine Sprecherin mit. Die hätten ihr Filtersystem schon fertig.
500 Euro Kosten pro Monat und Provider reichen übrigens nicht aus, meldet der eco nach Brüssel. Der Filter, der die vielen von der Politik ins Auge gefassten Dateiformate kontrollieren kann – verschiedene Videoformate und –codecs, Audioformate und –codecs, Bildformate und DOC/XLS/PPT/PDF –, der müsse erst noch erfunden werden. Dabei sei noch nicht eingerechnet, Lizenzverhältnisse oder Schrankenregelungen zu erkennen. Selbst für einen einfachen Audio- und Videofilter halten die Verbandsvertreter 10.000 bis 25.000 Euro pro Monat für kleine und mittlere Unternehmen für realistisch.
Kleine sind gar nicht gemeint
Der Berichterstatter des führenden Rechtsausschusses, Axel Voss (EVP), wehrt ab. Natürlich habe man es nicht auf die kleinen, mittleren Unternehmen oder Start-Ups abgesehen habe. "Ich glaube auch nicht, dass wir im Rechtsausschuss zu so einer Extremlösung kommen," sagte Voss gegenüber heise online mit Blick auf die Formulierungen im Kulturausschuss. "Wir müssen bei den Plattformen versuchen, genauer zu differenzieren, wer aktiv und wer passiv ist", meinte Voss und versprach, grundrechtliche Einschränkungen beim Filtern zu berücksichtigen. Probleme, die die Provider sehen, wolle er sich gerne anhören. "Wenn EuroISPA ein bestimmtes Problem sieht, würde ich sie dazu auffordern, mir zu erläutern, welche Probleme sie in welchem Fall sehen, damit man eine Chance hat, sich was zu überlegen", sagt er.
Viel Zeit hat der Berichterstatter nicht mehr, denn mit dem Näherrücken des Endes der Legislaturperiode drängt mindestens die Kommission auf einen raschen Abschluss. Die Neigung, rasch in den weniger transparenten Trilog abzutauchen, wächst dann möglicherweise, befürchtet etwa die Nutzerorganisation European Digital Rights (EDRI). Für 10. Oktober ist die Abstimmung im Rechtsausschuss angesetzt. Der Termin werde aber schwer zu halten sein, sagt Voss. (anw)