Augmented Reality frisch auf den Tisch

Eine Forschergruppe hat ein Gerät entwickelt, das Anwendungen aus dem Bereich der erweiterten Realität kostengünstig auf jede Oberfläche holen könnte.

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Von
  • Rachel Metz

Besitzen Sie eine Deckenleuchte, in die eine normale Glühbirne passt? Falls ja, haben Sie schon eine wichtige Voraussetzung erfüllt, um aus einem Schreibtisch, einer Wand, einem Kühlschrank, einem Esstisch oder nahezu jeder anderen Oberfläche ein Augmented-Reality-Display zu machen. Mit diesem lässt sich dann wie mit dem Bildschirm eines Smartphones interagieren.

Das zumindest versprechen Wissenschaftler der Future Interfaces Group an der Carnegie Mellon University im amerikanischen Pittsburgh. Ihr Projekt namens Desktopography hat bereits einen Prototypen hervorgebracht. Es verwendet einen kleinen Projektor, einen Tiefensensor und einen Computer, um Bilder auf Oberflächen zu werfen – die Projektionen können um reale Objekte herum platziert werden, die bereits auf der Oberfläche stehen. Das Gerät wird in eine Glühbirnenfassung gedreht und die letzte Demonstrationseinheit bezieht auch ihren Strom daraus, wie Robert Xiao, Masterstudent und Projektleiter, erläutert.

Die Desktopography-Hardware kann Dinge wie einen Taschenrechner oder eine Karte auf den Schreibtisch werfen, mit denen der Benutzer dann interagieren kann. So lassen sich Objekte mit mehreren Fingern virtuell berühren und verschieben. Wenn man beispielsweise einen Gegenstand wie einen Becher in den Bereich stellt, in dem bereits eine Projektion erfolgt, wird diese automatisch freigeräumt. Das wirkt schon ziemlich realitätsnah.

Projektionen lassen sich zudem mit vorhandenen Objekten verbinden. So kann etwa ein Kalender, der neben einem Buch angezeigt wird, mit diesem mitwandern, wenn man das Buch verschiebt.

Derzeit die das Desktopography-Gerät nur im Labor zu sehen, doch Xiao und sein Team glauben, dass die erweiterte Realität bald unser Alltagsleben erobern könnte. Sensoren und andere elektronische Komponenten muss man dabei nicht mehr in Oberflächen einbauen, auf denen Bilder angezeigt werden sollen. Im Gegensatz zu AR-Brillen wie der HoloLens von Microsoft oder der Meta 2 von Meta benötigt man auch kein Headset, um gut aussehende Bilder zu produzieren. Und ein zusätzliches Tablet oder Smartphone, durch das man die AR-Bereiche angezeigt bekommt, wie man dies etwa von Pokémon Go kennt, benötigt man ebenfalls nicht.

"Es geht darum, die Interaktion von Bildschirmen und einzelnen Geräten zu befreien. Dort sind sie von der echten Welt getrennt. Wir wollen hier eine Verbindung mit unserer Umwelt schaffen", sagt Xiao.

Noch gibt es einige Hürden, bevor die Desktopography-Hardware zu einem kommerziellen Produkt werden kann. So ist der Einsatz einer Kamera für präzises Multitouch-Tracking von Händen und Fingern schwierig, wenn die Kamera über den Händen angeordnet ist und das Gerät abschätzen muss, wie nah man von der Oberfläche entfernt ist – schließlich ist die Unterseite nicht sichtbar. Auch produzieren Projektor und Rechentechnik ziemlich viel Wärme, die irgendwie abgeführt werden muss.

Entsprechend könnte es laut Xiao noch bis zu fünf Jahre dauern, bis ein Desktopography-System wirklich auf den Markt kommt. (bsc)