Filmkritik: Valerian – Die Stadt der tausend Planeten

Mehr als zehn Jahre Arbeit, eine Menge Geld und ganz viel Herzblut hat Luc Besson in die Verfilmung der Comics seiner Kindheit gesteckt. Das hat sich gelohnt: Trotz narrativer Defizite ist "Valerian" ein Bildersturm, den man gesehen haben muss.

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Filmkritik: Valerian – Die Stadt der tausend Planeten

Valerian (Dane DeHaan) und Laureline (Cara Delevingne) auf Undercover-Misson.

(Bild: Universum Film)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Ground Control to Major Tom.

Mit den Klängen von David Bowies Klassiker "Space Oddity" eröffnet Luc Besson sein SF-Opus "Valerian – Die Stadt der tausend Planeten". Zu den Credits entfaltet sich in schnellen Schnitten die Geschichte der Raumstadt Alpha, gebaut von den verschiedensten Spezies des Universums als eine Art interstellares UN-Hauptquartier. Schon der tolle Vorspann ist vollgepackt mit Ideen, Aliens und Effekten – und er ist nur das Amuse Gueule für das mehrgängige Gourmet-Menü, das dann noch kommt.

"Valerian" ist für Regisseur Luc Besson eine Herzensangelegenheit. Als kleiner Junge liest er das französische Comic-Magazin "Pilote", das unter anderem die "Asterix"-Reihe und "Lucky Luke" populär gemacht hat. Ab Nummer 420 enthielt das Magazin auch die Abenteuer der Raum-Zeit-Agentin "Valérian et Laureline" von Zeichner Jean-Claude Mézières und Texter Pierre Christin, koloriert von Mézières' Schwester Évelyne Tranlé. Als "Valerian und Veronique" erscheinen die Geschichten in Deutschland ab 1973 im Comic-Magazin "ZACK", später auch als Alben im Carlsen-Verlag.

Besson ist mit "Valerian" aufgewachsen. "Diese Comics waren meine einzige Flucht, ein Fenster ins All", erzählt der Regisseur. Schon "Das Fünfte Element" (1997) ist von den überbordenden Ideen der Comics sichtbar beeinflusst. Mézières war damals am Produktionsdesign beteiligt, von ihm stammen die Entwürfe für die futuristischen Flugautos. "Er fragte: Warum drehst du das hier und keinen Valerian-Film?", erinnert sich Besson. "Ich sagte ihm: Weil es unmöglich ist. Es geht bei Valerian um drei Menschen und 2000 Aliens."

Zehn Jahre später ist Besson zu Besuch bei James Cameron, der "Avatar" dreht. Jetzt war die Technik soweit, ein Projekt wie "Valerian" anzugehen. "Nach Avatar schien einfach alles möglich zu sein", erzählt Besson. "Vor 10 Jahren kaufte ich die Rechte und begann nach und nach, die Teile zusammenzusetzen." Das gilt auch fürs Drehbuch: Für seinen Film verwendet Besson vor allem Versatzstücke aus den Alben "Im Reich der tausend Planeten" und "Botschafter der Schatten", aus denen er seine eigene Geschichte formt.

An deren Anfang steht der Untergang des Paradieses. Die Himmel über dem Planeten Mül reißen auf, schwarz ergießt sich das Unheil über die pastellfarbene Heimatwelt der Pearls. Die friedliebende Spezies wird ausgelöscht. Mit der Zerstörung von Mül, der wie das Südseeparadies von Pandora wirkt, beginnt für Valerian (Dane DeHaan) und Laureline (Cara Delevingne) ein irrer Trip durch Bessons quietschbuntes und äußerst artenreiches Universum.

Die Hauptfiguren hat Besson etwas modernisiert. DeHaan (der neue DiCaprio, meint der Regisseur) und Delevingne geben dem pflichtbewussten Comic-Duo eine leicht anarchische Note. "Was ich aus dem Original vor allem übernommen habe, ist, dass Valerian ein Angeber ist", erzählt Besson. "Oft hat er einfach nur Glück." Und eine Partnerin, auf die er sich verlassen kann. "Laureline ist das Gehirn in diesem Team", sagt Besson. "Es sind echte Menschen, sie sind in keiner Weise Superhelden."

Valerian – Die Stadt der tausen Planeten (45 Bilder)

So hat alles angefangen: In Pilote #420 erschien am 9. November 1967 das erste Abenteuer der Raum-Zeit-Agenten Valerian und Laureline.
(Bild: Pilote/Dargaud/Mézières/Christin )

Die zwei Agenten sollen im Auftrag der Erdregierung eine seltene Tierart (eine Mischung aus Kröte und Chihuahua) sicherstellen und nach Alpha bringen, wo sie ihr Kommandant Arun Filitt (Clive Owen) erwartet. Die Mission führt Valerian und Laureline auf den "Big Market", einen gigantischen virtuellen Basar auf einem ansonsten tristen Wüstenplaneten. Mit dem Schoßhündchen im Gepäck fliegen die Agenten nach Alpha, wo sie schnell merken, dass etwas faul ist.

Bis Valerian und Laureline herausfinden, wie das alles zusammenhängt, brennt Besson ein Dauerfeuerwerk aus Bildern und Effekten ab – zwei der besten Special-Effects-Firmen haben dabei geholfen, die Comics auf die Leinwand zu bringen: Industrial Light & Magic ("Star Wars") und Weta ("Herr der Ringe"). "Interessanterweise wollte jeder der beiden den Film ganz allein übernehmen", erzählt Besson. "Dann haben wir sie gefragt: Glaubt ihr im Ernst, dass ihr das allein schafft? Es sind 2734 Einstellungen mit Special Effects. Wir haben schließlich sogar noch eine dritte Firma dazu geholt."

Besson schickt seine Helden durch mehrere Episoden mit skurrilen Aliens, riesigen Monstern und dem "Showgirl" Bubbles (Rihanna), die ein Shape-Shifter ist. Das alles wird von einer nicht gerade überkomplexen Geschichte locker zusammengehalten. Seine narrativen Defizite gleicht Besson mit visuellem Ideenreichtum aus: "Valerian" ist ein Bildersturm, der von der Leinwand über das Publikum hinwegfegt und es atemlos zurücklässt.

Bessons Film ist mit fast 200 Millionen Euro eine für europäische Verhältnisse ziemlich teure Angelegenheit. Soll "Valerian" keine Eintagsfliege bleiben, muss er sich international an der Kinokasse bewähren. Er muss ein US-Publikum überzeugen, das vielleicht denkt, "Valerian" habe zuviel bei "Star Wars" geklaut – dabei ist es umgekehrt. Es wäre verdammt schade, wenn das nicht klappt. Denn "Valerian" ist eine schwer benötigte Frischzellenkur für ein Genre, das zuletzt arg unter dem seelenlosen Müll gelitten hat, den Marvel "Cinematic Universe" nennt.

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"Valerian – Die Stadt der tausend Planeten" ist ab dem 20. Juli im Kino. Die 3D-Fassung kann man angucken. Im Carlsen-Verlag ist ein Sonderband mit den beiden Alben "Im Reich der tausend Planeten" und "Botschafter der Schatten" erschienen. (vbr)