Eierdieben mit GPS-Sendern auf der Spur

Tracker in gefälschten Eiern sollen die Routen der Schmuggler entlarven, die mit den Eiern bedrohter Meeresschildkröten handeln.

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Von
  • Roman Goergen

Das kleine Fischerdorf El Ostional wäre an sich ein unbedeutender Punkt auf der Landkarte Nicaraguas. Doch für die Oliv-Bastardschildkröte ist der nahe Strand im Naturschutzgebiet La Flor ein besonderer Ort. In Neu- oder Vollmondnächten zwischen Juni und Dezember legen dort vier Arten Meeresschildkröten ihre Eier ab. Doch nur die Bastardschildkröten versammeln sich zu Massenankünften, den sogenannten Arribadas. Zehntausende Tiere graben dabei ihre Nester und legen Hunderttausende Eier. La Flor ist weltweit einer von nur sieben Stränden, an denen dies geschieht.

Doch nur aus rund einem Prozent der Eier werden erwachsene Tiere. Wilde Hunde, Stinktiere und Krebse fressen die Eier. Der größte Eierdieb aber ist der Mensch. Durch ihn stehen inzwischen alle Meeresschildkröten auf der Roten Liste gefährdeter Tierarten. Kimberly Williams-Guillén von der in Nicaragua tätigen amerikanischen Tierschutzgruppe Paso Pacifico greift daher zu einer ungewöhnlichen Maßnahme: Sie will den Räubern täuschend echte Kunsteier unterjubeln. GPS-Sender im Inneren sollen die Naturschützer auf die Spur der Diebe führen.

Schildkröteneier gelten als Delikatesse und Aphrodisiakum. Wilderer entleeren deshalb systematisch die frischen Nester. "Bevor wir anfingen, die Strände zu patrouillieren, schätzen wir, dass 80 bis 90 Prozent der dortigen Eier gestohlen wurden", sagt Williams-Guillén. Ein einziges Ei kann auf dem Schwarzmarkt bis zu 20 Dollar erzielen. Auch wenn die Diebe selbst deutlich weniger erhalten, ist die Verlockung zu groß für viele Menschen in dem wirtschaftlich schwächsten Land Mittelamerikas.

Zwar werden einige Diebe gefasst, doch das entschärft die Situation kaum. "Dann nimmt ein anderer seinen Platz ein", sagt Williams-Guillén. Das Zahlenverhältnis zwischen Wilderern auf der einen und Soldaten sowie Rangern auf der anderen Seite liege bei bis zu 20:1. "Wir müssen also herausfinden, wer die Mittelsmänner sind, ob die Eier an zentralen Sammelpunkten gelagert werden und dort von Großhändlern an den regionalen oder sogar internationalen Schwarzmarkt verteilt werden", sagt die Ökologin.

Noch liegen die Routen im Dunkeln. Paso Pacifico vermutet viele Abnehmer in der Region, zum Beispiel in El Salvador oder Guatemala. Selbst Asien könnte eine Rolle spielen, weil China als Absatzmarkt für Produkte aus Mittelamerika immer wichtiger werde.

Auf die Idee der GPS-Eier kam Williams-Guillén, als sie eine Folge der US-Fernsehserie "Breaking Bad" sah. Darin versuchten Ermittler eine Lieferung von Chemikalien mit einem GPS-Sender bis zum Drogenlabor zu verfolgen. Die Ökologin begann daraufhin, mit dem 3D-Drucker ein Kunststoffei herzustellen, das sich wie ein echtes anfühlte.

Auf einem Symposium in Las Vegas zeigte sie die Ergebnisse anwesenden Biologen. Sie halfen ihr bei der Auswahl der besten Fälschung. "Wir haben es geschafft, die typisch lederartige Textur dieser Eier zu simulieren", sagt Williams-Guillén. Der im Inneren versteckte GPS-Sender wird über eine SIM-Karte die Position melden. "Die Batterie muss zwar klein sein, sollte aber einige Tage halten, jedenfalls lange genug, um das Ei bis zum Ziel zu verfolgen", so die Naturschützerin.

Das Pilotprojekt mit den ersten ausgelegten Spionage-Eiern hat nun begonnen. Unterstützt wird es durch einen Zuschuss der U.S. Agency for International Development in Höhe von 10000 Dollar. Die ersten Funkeier sollen in Costa Rica eingesetzt werden. Genauere Informationen möchte Paso Pacifico aber nicht preisgeben. "Wir wollen die Wilderer ja nicht vorwarnen", sagt Williams-Guillén. (bsc)