Marsgeschneidert

Kampfkoloss Hummer

In 75 Jahren hatte die US-Army drei Geländewagen-Typen. Die dritte Generation ist bald Geschichte. Wegen Sprengfallen und Minen dient der schlecht gepanzerte Humvee nur noch in der Etappe. 2010 wurden die letzten 2600 Stück von insgesamt 150.000 geliefert

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Hummer 5 Bilder
Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Bernd Kirchhahn
Inhaltsverzeichnis

Arnold Schwarzenegger und General Motors machten aus dem Befreier Kuwaits den HipHop-Hampelmann der Hollywood Hills. Ein paar Jahre ging das anachronistische Projekt gut, dann musste der Hummer eingestellt werden, weil er selbst den Chinesen zu viel verbrauchte.

Die Mühlen des Militärs mahlen langsam. Der Jeep Willys MB und dessen Nachfolgegeneration, der M38, wurden 1959 nach 17 Dienstjahren vom Ford M151 ersetzt. Dessen Spitzname war, Vorsicht, erhöhte Kalauer-Gefahr: MUTT. Das stand für Military Utility Tactical Truck. Erst 1985 kam der Humvee. Ein Name, dem künstlich Vokale eingehaucht wurden, schließlich heißt der Wagen eigentlich HMMWV – also High Mobility Multipurpose Wheeled Vehicle. Ein pragmatischer Militär-Zungenbrecher. Drei Autos in 75 Jahren zeugen von einer eher trägen Fuhrparkpolitik. Was der Zivilist verstehen muss. Ist ein Auto flächendeckend eingeführt, werden die Mechaniker geschult, die Ersatzteile organisiert und die Bewaffnung angepasst. Es gilt: never touch a running system. Der Humvee war dann gleich derart vielseitig, dass eine Vielzahl anderer Transportfahrzeuge in verschiedenen Größen- und Leistungsklassen aus dem Bestand geschmissen werden konnten (Dodge M880 Pick-up, Gama Goat, M274 Mule).

Amerikanische Chaostage

Ärgern wir ein paar Amerikaner, indem wir überspitzt formulieren: eigentlich ist der Hummer ein französisches Auto. Das stimmt natürlich nicht, wäre aber beinahe so gekommen. AM General, die Firma, die für den Humvee verantwortlich ist, hatte bereits eine sehr bewegte Vergangenheit hinter sich, bevor sie zu Ehren kommen sollte. Ursprünglich war das Unternehmen nicht mehr als eine Unterabteilung bei Studebaker. Studebaker wurde 1966 von Kaiser Industries übernommen. Die wiederum beschlossen 1970, dass die Automobilbranche nichts für sie sei und verkauften das Kaiser-Jeep-Konstrukt an die American Motors Corporation (AMC), die wiederum das Unternehmen AM General ausgliederten. Ein eigenständiges Unternehmen hatte höhere Chancen Militäraufträge zu bekommen.

Was auch funktionierte. 1979 bekam AM General den Auftrag, den Humvee zu entwickeln. Dummerweise übernahm Renault 1982 das AMC-Chaos in Bausch und Bogen. Das Problem: Die französische Regierung besaß große Teile des Autobauers. Firmen, die für das amerikanische Militär produzieren, dürfen per Gesetz aber nicht im Besitz ausländischer Regierungen sein. Also kaufte die LTV Corporation, eine Tochter der LTV Aerospace and Defense Company, AM General aus den französischen Krallen heraus. Pfuh, das war knapp, beinahe wäre der Hummer ein Koleos geworden.

Um den Militärauftrag zu bekommen, musste sich der Humvee in der Ausschreibung gegen den Lamborghini Cheetah durchsetzen. Dass sich die Fahrzeuge zumindest optisch und auf den ersten Blick derart ähnlich sind, kann als Beweis für die Präzision der Ausschreibung verstanden werden. Weil an dieser Stelle nichts unterstellt werden soll. Größe, Robustheit und Geländefähigkeit machten einige Features obligat. Felsen mussten erklommen werden, weswegen 45 Zentimeter Bodenfreiheit gebraucht wurden, was wiederum Portalachsen zur, nun ja, vernünftigsten Lösung machte. Außerdem musste das Fahrzeug durch Gewässer mit einer Tiefe von 75 Zentimetern fahren können. Wüstensand und Minusgrade (zur Zeit der Ausschreibung war der Russe durchaus noch eine zumindest theoretische Gefahr) durften ebenfalls kein Problem darstellen.

Italienische Blaupause

Lamborghini, in Prä-Volkswagen-Zeiten grundsätzlich klamm, bekam den Auftrag nicht und schlitterte damit endgültig in die Pleite. Bekanntermaßen übernahm Jean Claude Mimran im Januar 1981 die Marke. Eine seiner Ideen war es, den Cheetah als zivilisierte Variante an die Superreichen zu verkaufen. Das Ergebnis kam 1986 als LM002 auf den Markt. Weil aber selbst Superreiche nur begrenzt Bedarf haben an einem Auto, das schadlos aus fünf Metern Höhe aus einem Hubschrauber springen kann, blieb es bei 300 Exemplaren. Gründe für die Erfolglosigkeit gab es zu Hauf. Beispiele: weil sich Lamborghini für den Zwölfzylinder aus dem Countach entschied, der aber mit einem Bruttogewicht von 3,5 Tonnen konfrontiert wurde, gurgelten zwischen 20 und 42 Liter Richtung Brennraum. Immerhin pro 100 Kilometer. Um überhaupt messbare Distanzen bewältigen zu können brauchte es einen 290-Liter-Tank, der den Zapfsäulenbesuch in die Länge zog. Mit diesem Flop, der 1993 wieder aus den Schauräumen verschwand, hatte Lamborghini den Amerikanern etwas voraus. Die brauchten für diese Erfahrung ein paar Jahre mehr.

AM General entschied erst 1992, eine zivile Variante auf den Markt zu bringen. Auch auf Drängen von Arnold Schwarzenegger. Denn das Fahrzeug hatte durch die neuartige Kriegsberichterstattung von CNN Anfang der neunziger Jahre über den zweiten Golfkrieg eine enorme Popularität erreicht. Die Fernsehanstalt lieferte täglich Livebilder von der Befreiung Kuwaits. Jeden Tag flimmerten Humvees über die Bildschirme der amerikanischen Haushalte. Die amerikanisch-patriotischen Seelen brodelten vor Freude und Schwarzenegger brauchte wohl so einen Ami, um seine Herkunft zu kompensieren. AM General lieferte die Kiste und einige Prominente (u.a. Tupac Shakur, Dennis Rodman und Coolio) rüsteten ihre Garagen entsprechend auf.