Test von automatischer Gesichtserkennung in der Öffentlichkeit vor dem Start

Am 1. August startet der sechsmonatige Test der automatischen Gesichtserkennung am Berliner Bahnhof Südkreuz. Wer die zentrale Softwarekomponente liefert, soll erst zum Start bekannt gegeben werden.

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Test von automatischer Gesichtserkennung in der Öffentlichkeit vor dem Start

Ab wann kann eine Gesichtserkennung überhaupt funktionieren?

(Bild: Dallmeier )

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers
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Mit dem Projekt der softwaregesteuerten Gesichtserkennung am Bahnhof Südkreuz wollen Bundespolizei, BKA und die Deutsche Bahn erkunden, ob derartige Erkennungssysteme praxisreif sind und einen Beitrag zum Konzept des Sicherheitsbahnhofes liefern können. Wie Netzpolitik.org schreibt, sind zwar die Anmietkosten von 60.000 Euro für den sechs Monate dauernden Test bekannt, doch welche Software im System die Bilder auswertet, soll erst am Starttag öffentlich gemacht werden.

Theoretisch ist die Sache einfach, schreibt die Bundespolizei in ihrem Newsletter, der an die rund 300 Probanden des Testlaufes geschickt wird: "Mit einer Gesichtserkennung kann die Bundespolizei in die Lage versetzt werden, Personen, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen, zum Beispiel beim Betreten des Bahnhofs, zu erkennen und gezielt Maßnahmen zu ergreifen."

Wie das mit dem Erkennen praktisch funktioniert, sollen drei neue Kameras in der Westhalle des Bahnhofs Südkreuz zeigen. Eine schickt Bilder von den an drei Türen eintretenden Reisenden, eine macht Bilder von denen, die den Bahnhof verlassen und die dritte ist auf die Rolltreppe gerichtet, ganz im Stil des BKA-Projektes Foto-Fahndung am Mainzer Hauptbahnhof vor 10 Jahren: Auf gut ausgeleuchteten Rolltreppen stehen Menschen meistens still und können besser erkannt werden.

Im Jahre 2007 endete die Foto-Fahndung mit der Erkenntnis, dass derartige Systeme nicht einsatzfähig sind. Nachts sank die Erkennungsrate auf 10 bis 20 Prozent, an dunklen Wintertagen konnte nur zwischen 9:00 und 16:00 gefahndet werden. Zehn Jahre später sind die Videokameras ungleich leistungsfähiger und die Gesichtserkennung funktioniert unter allen möglichen Bedingungen. Das jedenfalls behaupten die Hersteller solcher Systeme.

Auf der derzeit zu Ende gehenden Olympiade der Gehörlosensportler im türkischen Samsun wurden die Aufnahmen der Athleten nicht nur auf dem Teilnehmerausweis ausgedruckt, sondern in ein Gesichtserkennungssystem von NEC eingespeist, das den Zutritt zu den Sportstätten öffnete. Probleme soll es nach Auskunft gegenüber heise online nicht gegeben haben.

Allerdings unterscheidet sich ein Zutrittssystem, das auf der Kooperation der Teilnehmer oder Mitarbeiter beruht und beste Lichtbedingungen bietet, deutlich von einem Fahndungssystem, wie es am Bahnhof Südkreuz getestet und am Flughafen Prag installiert wird. Hier müssen die Sicherheitskräfte davon ausgehen, dass "Personen, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen", sich mit Mützen und Sonnenbrillen tarnen.

Unter diesem Aspekt dürfen die rund 300 Probanden, von denen die Bundespolizei Vergleichsbilder aufgenommen hat, auf dem Testparcours tun und lassen, was sie wollen. Wichtig ist nur, dass sie ihre RFID-Transponder mit sich führen, damit ihre Anwesenheit unabhängig von der Gesichtserkennung registriert wird und so die Quote der False Positives und False Negatives errechnen lässt.

Damit steht indes die Frage der Kooperation wieder im Raum. Denn es gibt Widerspruch auf mehreren Ebenen. So findet die Bundesdatenschützerin Andrea Voßhoff einen Test solcher Erkennungssysteme zwar akzeptabel, meldet aber starke Bedenken an, was den den Regelbetrieb angeht: "Sollten derartige Systeme später einmal in den Echtbetrieb gehen, wäre dies ein erheblicher Grundrechtseingriff."

Während die Bundespolizei um Probanden für den Testlauf warb, veranstalten Aktivisten von Digitalcourage die humorige Aktion #SelfieStattAnalyse. Einen Schritt weiter wollen "Autonome" gehen. Sie haben dem System auf Indymedia den maskierten Kampf angesagt. (jk)