Musikbranche arrangiert sich mit dem Internet
"Napster hat inzwischen 70 Millionen Nutzer. Das können nicht alles Kriminelle sein."
Die Internet-Nutzer haben der Musikindustrie Beine gemacht. Kostenlose Musiktauschbörsen wie Napster und Gnutella zeigten den Großen der Branche, dass das Internet weit mehr ist als ein reines Marketinginstrument. "Napster hat inzwischen 70 Millionen Nutzer. Das können nicht alles Kriminelle sein", sagte Andreas Schmidt, Chef der Bertelsmann E-Commerce Group (BeCG). Jetzt müsse die Industrie die Verantwortung übernehmen, den Kunden Musik übers Internet zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig Urheberrechte zu schützen.
Tim Renner, Präsident von Universal Music Deutschland, stimmte seinem Konkurrenten am Montag auf dem Medienkongress hamburger dialog zu: "Wir werden einen drastischen Wandel erleben." Erfreulich sei, dass Bertelsmann Napster auf einen legalen Weg bringen wolle. Die Musikindustrie hatte gegen die kostenlose Musiktauschbörse wegen Urheberrechtsverletzungen erfolgreich geklagt. Nach Renners Meinung müsste die Branche jetzt konkrete Angebote an den Konsumenten machen. "Alles, was nicht kundenorientiert ist, ist dem Untergang geweiht", sagte der Universal-Chef.
So viel Einigkeit wie zwischen den Podiumsteilnehmern Renner und Schmidt demonstriert scheint in der Branche jedoch nicht zu herrschen. Fachleute gehen von einer heftigen Marketingschlacht aus. Die beiden weltgrößten Musikfirmen Universal Music Group und Sony Music Entertainment planen mit dem Gemeinschaftsprojekt Duet für den Sommer einen gebührenpflichtigen Online-Musikservice. Warner Music, Bertelsmann Music Group (BMG) und EMI starteten eine Gegenoffensive mit der Online-Plattform MusicNet. Durch die Allianz kann Bertelsmann nun auch Lizenzen für die Musiktitel aller drei Plattenfirmen an den Partner Napster übertragen.
Egal welcher Online-Plattform sich der Musikliebhaber zuwendet, um das Bezahlen kommt er bei den Angeboten der Plattenmultis nicht herum. Mit einem kostenpflichtigen Vertriebsmodell der Partner Bertelsmann und Napster sollen Nutzer der bisher kostenlosen Musiktauschbörse ab 1. Juli keine Stücke mehr im MP3-Format auf CD brennen können. Für eine monatliche Mitgliedsgebühr zwischen sechs und 21 Mark können Nutzer die Musik lediglich zum Hören auf den PC laden. Kosten fallen auch bei der Konkurrenz Duet an, die Musik von Sony, Universal und anderer Firmen anbieten will. Universal-Chef Renner geht davon aus, dass Musik künftig auch für eine begrenzte Zeit zu erwerben ist.
BeCG-Präsident Schmidt will sich nicht allein auf den Computer beschränken. "Ich bin der Überzeugung, dass das Handy der Walkman der Zukunft wird", sagte Schmidt. Der Kunde werde sich zum Beispiel bei Napster ein eigenes Musikarchiv anlegen und die Lieder dann über verschiedene Geräte abrufen können.
Bislang hat das Internet den Ertrag der Musikindustrie nur gering geschmälert. Im vergangenen Jahr verkaufte sie 3,8 Prozent weniger Tonträger als im Jahr zuvor. Der Umsatz der deutschen Plattenfirmen ging um 2,2 Prozent auf 4,78 Milliarden Mark zurück. (Miriam Tang, dpa)/ (cp)