China erkundet Geoengineering

Lässt sich dem Klimawandel mit technischen Eingriffen begegnen? Kaum ein Land beschäftigt sich derzeit so intensiv mit dieser Frage wie China – konkrete Experimente sind aber vorerst nicht vorgesehen.

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Von
  • James Temple
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In den vergangenen drei Jahren hat China eines der größten staatlich finanzierten Geoengineering-Forschungsprogramme weltweit zusammengestellt – ein weiteres Beispiel dafür, wie das Land anderen Nationen bei Klimafragen enteilt.

Das Programm hat ein Volumen von rund 3 Millionen Dollar und wird vom Ministerium für Wissenschaft und Technologie finanziert. Etwa 15 Fakultätsmitglieder und 40 Studenten an drei Institutionen sind daran beteiligt. Aufgabe der Forscher ist, herauszufinden, welche Auswirkungen Veränderungen des Klimas mit technischen Mitteln hätten. Außerdem sollen sie sich mit Fragen von Politik und Regierungsführung in diesem Zusammenhang beschäftigen. Explizit nicht vorgesehen sind Technologie-Entwicklung oder Experimente im Freien, anders als bei neuen US-Forschungsprogrammen an der Harvard University und der University of Washington.

"Sie wollen nicht als die Bösen angesehen werden, also weigern sich manche Gruppen, mehr zu tun", sagt John Moore, ein aus Großbritannien stammender Gletscherforscher und Klima-Modellierer, der das Programm in China leitet.

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Moore lebt seit langem in China und arbeitet als Chefwissenschaftler am College of Global Change and Earth System Science der Bejing Normal University. Ende Juli informierte er bei der angesehen Gordon Research Conference im US-Bundesstaat Maine über die Forschungsarbeit, an der auch die Zhejiang University und die Chinese Academy of Social Sciences beteiligt sind. Von der Veranstaltung darf nicht berichtet werden, aber die US-Ausgabe von Technology Review hatte anschließend Gelegenheit, mit Moore zu sprechen.

Geoengineering ist ein allgemeiner Ausdruck für eine Reihe von Methoden, die vorgeschlagen werden, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Unter anderem beschäftigen sich Forscher mit der Möglichkeit, Partikel in der Atmosphäre zu versprühen, um Sonnenlicht zu streuen, oder Küstenwolken stärker zum Reflektieren zu bringen. Die Hoffnung ist, mit solchen Methoden steigende Temperaturen kompensieren zu können. Jedoch gibt es erhebliche Bedenken wegen möglicher Nebenwirkungen, wegen schwieriger politischer Herausforderungen und wegen der ethischen Bedeutung einer Technologie, die das Klima im globalen Maßstab verändern könnte.

Angesichts dieser Herausforderungen und der wachsenden Bedrohung durch den Klimawandel fordert eine zunehmende Zahl von Wissenschaftlern mehr Forschung und mehr Diskussionen über all diese Themen. Und weil Geoengineering alle Länder betreffen würde, unabhängig davon, wo es vorgenommen wird, ist es wünschenswert, dass sich möglichst viele daran beteiligen. Das sagt Douglas MacMartin, ein leitender Wissenschaftler für Mechanik- und Luftfahrtforschung an der Cornell University, der das chinesische Programm beraten hat.

Laut Moore zählen zu den aktuellen Forschungsschwerpunkten die Analyse der potenziellen Auswirkungen von Geoengineering auf die Polar-Eiskappen, den Meeresspiegel, Landwirtschaft und Gesundheit von Menschen. Der Klimaforscher Long Cao, leitender Wissenschaftler für das Programm an der Zhejiang University, hat Ende Juli zusammen mit anderen einen Fachaufsatz über "Cocktail-Engineering" veröffentlicht. In der Studie ging es darum, zwei Arten von Geoengineering einzusetzen, bei denen sich negative Umweltwirkungen ausgleichen sollen. Andere aktuelle Aufsätze erkunden die Folgen für regionale Gletscher, für Wüsten-Bewässerung und für Meeresströmungen

Auch in Europa hat es schon staatlich finanzierte Geoengneering-Forschung gegeben, darunter das Prioritätsprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft und das von der EU unterstützte Projekt Implications and Risks of Engineering Solar Radiation to Limit Climate Change. Das größte Programm in den USA ist bislang das neue multidisziplinäre Solar Geoengineering Research Program der Harvard University, das mit rund 7,5 Millionen Dllar finanziert ist. Das Geld stammt größtenteils aus privaten Quellen, unter anderem vom Microsoft-Mitgründer Bill Gates und der Hewlett Foundation. Wissenschaftler in Harvard und anderswo in den USA tun sich schwer, ausreichend Mittel aus öffentlichen Quellen zu bekommen, hauptsächlich weil das Gebiet so umstritten ist.

Allgemein gewinnt China Einfluss bei Klimafragen. Insofern könnte die tiefere Bedeutung des Geoengineering-Programms darin liegen, dass es ein weltweites Beispiel setzt, sagt Jason Pasztor, Geschäftsführer der Carnegie Climate Geoengineering Governance Initiative.

Insbesondere könnten die chinesischen Bemühungen andere Länder dazu bringen, ähnliche Investitionen in die Erforschung der regionalen und politischen Auswirkungen von Geoengineering vorzunehmen. Tatsächlich ist bei dem Programm vorgesehen, arme Länder wie die Philippinen und Bangladesch in Diskussionen über das Thema einzubeziehen. Vor einigen Wochen gab es bereits einen Workshop über Geoengineering in Entwicklungsländern.

(sma)