Smartwatch für Blinde

Ein Start-up mit einem sehbehinderten Gründer hat ein Armband entwickelt, das seinem Träger eine Art sechsten Sinn verleiht: Mit Hilfe von Ultraschall erkennt es nahende Hindernisse und warnt mit Vibrationen davor.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Rachel Metz
Inhaltsverzeichnis

Fernando Albertorio hat eine schwere Sehschwäche, die es für ihn manchmal schwierig macht, sich auf belebten Fußwegen zurechtzufinden, ohne gegen Hindernisse zu stoßen. Doch er hat eine Art Superkraft bei sich: Er kann Menschen, Hauseingänge, Abfalleimer oder Straßenlaternen spüren, lange bevor er sie berührt.

Albertorio ist einer der Gründer eines Unternehmens namens Sunu und hat in Wirklichkeit gar keinen sechsten Sinn, der ihn vor Hindernissen auf seinem Weg warnt. Stattdessen trägt er am Handgelenk eine Art Uhr, die er mit zwei Mitgründern entwickelt hat. Dieses Armband ist ausgestattet mit einem Sonar-Sensor und gibt Warnungen per Vibration ab.

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Das Gerät, das Albertorio jeden Tag trägt, emittiert eine hochfrequente Ultraschall-Welle, die von Objekten auf seinem Weg reflektiert wird. Das Armband wertet die Intensität dieser Reflexion aus und vibriert abhängig von der Entfernung stärker oder schwächer.

"Ich fühle mich jetzt viel sicherer, wenn ich mich in Bereichen bewege, in denen ich normalerweise nicht schneller gehen, sondern überlegen würde, auf was ich zulaufe", sagte Albertorio, während er vergangene Woche zur Mittagszeit durch das belebte Zentrum von Mountain View in Kalifornien ging.

Er und seine Mitgründer sind derzeit bei dem Startup-Inkubator Y Combinator untergekommen und hoffen, dass ihr Armband auch anderen Blinden und Sehbehinderten helfen kann. Nach Angaben der National Federation of the Blind gibt es allein in den USA 7 Millionen solcher Menschen. Um diesen Markt zu erschließen, will das Start-up Ende dieses Monats mit dem Verkauf des SuNu-Bandes für 299 Dollar beginnen.

Sunu ist nicht der erste Versuch, Sonar als Hilfe für Personen mit schlechtem Sehvermögen einzusetzen. Manche Menschen nutzen (wie Fledermäuse) ihre eigene Stimme zur Echoortung, und es gibt Produkte, die ähnlich funktionieren. Doch der Ansatz des Start-ups ist besonders interessant, weil er sich sowohl an Menschen richtet, die durchgängig Hilfe brauchen, als auch an solche, die relativ gut sehen können, aber in bestimmten Situationen spezielle Unterstützung benötigen, etwa beim Fahrradfahren.

Albertorio und ich machten einen Spaziergang, auf dem er mir zeigte, wie er das Sunu-Band einsetzt. Er trug es so, dass der Sensor nach vorne zeigte, wenn sein Arm gerade nach unten hing. Auf diese Weise konnte er auf vollen Fußwegen problemlos unterschiedlichsten Objekten ausweichen, von großen Pflanzenkübeln bis zu herabhängenden Ästen. Er zeigte mir, wie er mit Hilfe des Bandes Hauseingänge findet – dabei hilft die Unterbrechung der Vibration, die unterschiedliche Strukturen erkennbar macht. Einmal beugte ich mich zu ihm herüber, um den Knopf an einer Fußgängerampel zu drücken. Doch er stoppte mich und sagte, er habe den Ampelmast mit dem Knopf schon bei unserer Annäherung bemerkt.

Sogar wandern ist Albertorio mit dem Armband schon gegangen, weil er mit seiner Hilfe die Ränder des Weges erkennen konnte. Vor kurzem hat er außerdem einen 5-Kilometer-Lauf damit gemacht. "Es war faszinierend", sagt er. "Ich hatte einfach dieses Gefühl der Unabhängigkeit, das man beim Laufen bekommt."

Ich habe das Sunu-Band selbst ausprobiert und war überrascht, wie empfindlich und rasch es auf andere Fußgänger reagierte. Wenn sie mir näher kamen, vibrierte es stärker, und dann leichter, wenn sie an mir vorbeigegangen waren.

Das Armband kommuniziert über Bluetooth mit einer iPhone-App, in der man die Stärke des Feedbacks regeln und die verbleibende Batterielaufzeit ablesen kann (insgesamt beträgt sie laut Albertorio vier Stunden, aber weil das Gerät nicht die ganze Zeit gebraucht wird, dürfte das zumindest für einen Tag reichen). Später soll laut Albertorio zusätzlich einstellbar sein, wie langsam oder schnell man geht. Außerdem ist eine Integration der App mit Diensten wie Google Maps geplant, um besser den Weg zu bestimmten Zielen zu weisen. Wie Albertorio sagt, funktioniert das Armband allerdings auch ohne Smartphone.

(sma)