Photosynthese selbst gemacht
Ein speziell designter Stoffwechsel wandelt das Treibhausgas Kohlendioxid in gefragte chemische Rohstoffe um.
- Christian J. Meier
Heute globaler Klimakiller, morgen vielleicht wichtiger Rohstoff: Kohlendioxid. Bislang fehlt der chemischen Industrie ein effizientes Verfahren, um ihre Grundstoffe aus dem lästigen Verbrennungsprodukt zu formen. Ginge das, ließe sich etwa Biodiesel aus dem Treibhausgas herstellen. Stattdessen holt sich die Industrie den wertvollen Kohlenstoff aus Erdöl.
Viele Forscher suchen nach rein chemischen Lösungen. Sie wollen die Umwandlung mit Katalysatoren schaffen. Tobias Erb vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg geht einen anderen Weg: Er will die Tricks der synthetischen Biologie nutzen. Sein Vorbild ist die Photosynthese, mit der Pflanzen und bestimmte Bakterien atmosphärisches CO2 zu komplexen Zuckerverbindungen umbauen. Der Biologe und Chemiker hat mit seinem Marbur- ger Team aus 17 Enzymen im Reagenzglas einen künstlichen Stoffwechsel konstruiert, der um ein Fünftel energieeffizienter arbeitet als das natürliche Vorbild.
Der Schlüssel war ein Enzym, also ein biologischer Katalysator, den Erb schon während seiner Doktorarbeit im Purpurbakterium entdeckte. Es schleust das Treibhausgas in den Mikroorganismus ein. Um dieses Enzym herum entwarf Erb im Computer einen Designerstoffwechsel. Obwohl Erb die nötigen Bausteine für seinen neuen Stoffwechsel unter 50 Millionen Genen und Tausenden Enzymen aufstöbern musste, war die Datenbanksuche der einfachere Teil der Übung. Binnen zwei Wochen stand der Plan für die künstliche Kohlenstofffixierung.
Bei der Umsetzung im Labor funktionierte der Zyklus zunächst nur stockend. Ein Stolperstein war die Abhängigkeit eines der Enzyme von einer eisenhaltigen Verbindung. Diese vertrugen die anderen Enzyme nicht. Daraufhin tauschten die Forscher einige Aminosäuren des Enzyms durch andere aus. "Wir haben das Enzym so maßgeschneidert, dass es mit dem verträglicheren Sauerstoff arbeiten konnte", so Erb.
Dann jedoch wartete das zweite Problem: In der Zelle entstanden toxische Zwischenprodukte, von denen einige den Zyklus zum Erliegen brachten. Erb musste spezielle "Müllschluckerenzyme" in den künstlichen Stoffkreislauf einbauen. Nun stellt er aus Kohlendioxid die sogenannte Glyoxylsäure her. Die Substanz ist ein wichtiger Grundstoff für Pharmaka und Pflanzenschutzmittel.
Die größte Herausforderung wartet jedoch noch auf die Marburger. Sie wollen ihrem Stoffwechsel nun Bakterien einpflanzen. Denn diese gewinnen die nötige Energie relativ leicht und billig, indem sie Licht oder Wasserstoff aufnehmen. Um den Prozess in Reaktionsgefäßen zum Laufen zu bringen, müsste man dagegen teure chemische Energie zuliefern.
"Wir wissen aber noch nicht, wie sich unsere 17 Reaktionen mit den 3000 Reaktionen vertragen, die simultan in einer Zelle ablaufen", gibt Erb zu bedenken. Wie bei einer Organtransplantation bestehe so etwas wie das Risiko der Abstoßung. Es könne nötig sein, das metabolische System der Zelle zu unterdrücken, ähnlich wie man bei Transplantationen das Immunsystem unterdrückt.
Ob die künstliche Kohlenstofffixierung einmal helfen wird, CO2 aus der Atmosphäre zu holen, kann Erb nicht sagen. Die Arbeit seines Teams sei in erster Linie Grundlagenforschung, betont er. Viele Faktoren würden eine Rolle spielen, zum Beispiel wie schnell die Reaktion in Bakterien ablaufen wird. Oder wie lange es noch Erdöl gibt.
Wichtiger ist dem Forscher eine andere Vision: Er träumt davon, ein ganzes Netzwerk aus künstlichen Stoffwechselwegen herzustellen, das jede beliebige organische Verbindung aus Kohlendioxid erzeugen kann. Chemische Industrie 2.0.
(bsc)