Sonne macht steril

Ein Start-up aus Kassel hat einen Sterilisator für chirurgische Instrumente entwickelt, der mit Solarenergie arbeitet. Die Anlage soll in armen Ländern die Hygiene bei Operationen verbessern.

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Von
  • Ralph Diermann

Eigentlich sollen Operationen dafür sorgen, dass Menschen wieder gesund werden. Doch mitunter haben sie genau die gegenteilige Wirkung: Dringen beim Schnitt in den Körper Bakterien oder Viren ein, kann sich das Gewebe entzünden. Fieber und Schüttelfrost sind häufig die Folgen, gelegentlich kommt es zu Blutvergiftungen. Auslöser der Infektion ist meist Operationsbesteck, das nicht ausreichend sterilisiert wurde. Ein Problem, unter dem vor allem Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern leiden – laut Weltgesundheitsorganisation WHO werden dort elf Prozent aller Patienten bei einem Eingriff infiziert.

TR 7/2017

Ein Start-up aus Kassel will das ändern: Das Team von RSO Shift hat einen robusten, etwa vierzig Kilogramm schweren und dank eines Rucksack-Tragegurts zumindest über kurze Strecken gut zu transportierenden Sterilisator entwickelt, der auch in einfach ausgestatteten Krankenstationen hohe Hygienestandards gewährleisten soll. Die nötige Energie liefert eine integrierte, 1,6 Quadratmeter große Solarthermieanlage mit einer maximalen Leistung von 600 Watt, Strom für die Steuerung der Komponenten erzeugen zwei kleine Photovoltaikmodule mit je 15 Watt Leistung. Ursprünglich sollte die im Rahmen eines studentischen Projekts entwickelte Technologie der Trinkwasseraufbereitung dienen. "Wir haben aber recht schnell gesehen, dass der größte Nutzen im medizinischen Bereich zu erzielen ist", sagt RSO-Shift-Mitgründer Martin Reh.

Im ersten Prozessschritt reinigt die Anlage Wasser mit einem feinen Filter. Es kann aus der Leitung, aber auch aus Brunnen, Seen oder Flüssen stammen. Zur Vorreinigung wird das Besteck in einer kleinen Box geflutet, in der ein Rotor das Wasser in Bewegung versetzt, um grobe Verschmutzungen mechanisch zu entfernen. Anschließend wird gefiltertes Wasser mit Energie aus der Solarthermieanlage verdampft und in einen gut isolierten Druckbehälter geleitet, der als Energiespeicher dient. "Ohne diesen Speicher wäre die Sterilisation gefährdet, wenn sich Wolken vor die Sonne schieben", erklärt Reh.

Dann folgt die Desinfektion: Der Dampf aus dem Druckbehälter strömt durch ein Ventil in die Desinfektionskammer, sodass sich die chirurgischen Instrumente darin auf neunzig Grad aufheizen. Nach fünf Minuten ist ein großer Teil der Keime und Bakterien abgetötet. Steril werden die chirurgischen Instrumente aber erst im nächsten Schritt: Nachdem die Solarkollektoren dem Speicher weiter Energie zugeführt haben, wird das Besteck eine Viertelstunde lang Dampf mit einer Temperatur von mindestens 121 Grad ausgesetzt.

Das überlebt kein Mikroorganismus. Zum Abschluss wird die Sterilisationskammer von außen mit kaltem Wasser umspült, damit die Instrumente schneller auskühlen. Der gesamte Prozess dauert inklusive Aufheizen, Trocknen und Kühlen etwa drei Stunden. Sieben Liter Wasser sind nötig, um ein Operationsbesteck zu reinigen, zu desinfizieren und zu sterilisieren.

Etwa 10000 Euro soll das System kosten, was zwar deutlich weniger ist als bei Großanlagen für westliche Krankenhäuser, aber immer noch zu viel für die häufig unterfinanzierten Gesundheitssysteme in Entwicklungsländern. RSO Shift will es daher von Sponsoren aus Industrienationen bezahlen lassen. Doch zunächst einmal muss sich die Technik in der Praxis bewähren. Dazu startet das Start-up in diesem Sommer zusammen mit Hilfsorganisationen und lokalen Ärzten Testläufe in Uganda und Kenia. Parallel dazu wird das System weiterentwickelt: Künftig soll es auch mit Kerosin funktionieren, sodass es auch in sonnenarmen Regionen eingesetzt werden kann. (bsc)