Röntgenblick enthüllt verborgene Textpassagen

Mit Hilfe von 3D-Scannern soll eine alte römische Bibliothek wieder sichtbar gemacht werden.

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  • TR Online

tIm Jahr 79 nach Christus brach der Vesuv das letzte Mal aus. Er begrub die antiken Städte Pompeji und Herculaneum unter sich. Im Jahr 1752 förderten Ausgrabungen in Herculaneum eine ganze Bibliothek zutage. Die Sammlung enthielt eine große Anzahl an Papyrusrollen mit philosophischen Texten, viele davon von den Epikureern wie Philodemos von Gadara.

Es ist die einzige komplett erhaltene Bibliothek aus der Zeit der Antike. Viele der Schriftrollen wurden leider bei den Ausgrabungen und später bei der Untersuchung durch Wissenschaftler zerstört, aber rund 1800 Exemplare haben überlebt. Die meisten von ihnen befinden sich heute im Museo Archeologico Nazionale in Neapel.

Die Texte zu entziffern, stellt jedoch eine Herausforderung dar. Während des Vulkanausbruchs wurden die Rollen in einem sauerstofffreien Raum erhitzt, verkohlt, zusammengepresst und teilweise auch geschmolzen. So sind sie heute nicht nur meist sehr zerbrechlich, sondern auch fest aufgewickelt, in sich verdreht und verformt.

Bei rund 800 der Papyri haben Archäologen und Wissenschaftler inzwischen versucht, sie zu entrollen – mit unterschiedlichem Erfolg. Viele zerbröckelten bei der Prozedur, ein oder zwei explodierten sogar. Aber selbst in Fällen, bei denen das Entrollen gelang, verblasste jegliche Schrift, sobald sie zum ersten Mal nach fast 2000 Jahren mit Sauerstoff in Berührung kam.

Deshalb haben sich Archäologen in den vergangenen Jahren zu einer vorsichtigeren Herangehensweise entschlossen. Sie hoffen, die Schriften mit modernen bildgebenden Verfahren virtuell entrollen und dabei die versteckten Texte zugänglich machen zu können.

So berichten Inna Bukreeva und ihr Team vom Istituto di Nanotecnologia in Rom von beträchtlichen Fortschritten. Die Forscher konnten in ungeöffneten Rollen aus Herculaneum viele Details erspähen: "Wir stellten zum ersten Mal verschiedene umfangreiche Textteile wieder her."

Die Entschlüsselung beginnt mit der topografischen Erfassung der Papyrusrolle an der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble per Röntgenbildgebung. Das Verfahren stellt eine 3D-Version der Rolle her, in der die einzelnen Blätter identifiziert und separiert werden können. Nun entsprechen die Rollen aber nicht der idealen Form eines Zylinders, von der sich einzelne Blätter leicht lösen ließen, sondern sind eingedrückt und verkrümpelt. Deswegen haben die Forscher zunächst nach Regionen in den Papyri gesucht, die solch einer idealen Form nahekommen. Der Vorteil ist, dass mehrere übereinanderliegende Schichten dieselbe Geometrie aufweisen.

Ist ein Blatt herausgelöst, wird es anschließend vom Programm geglättet, sodass die Wissenschaftler nun nach Zeichen von Schrift suchen können. Dabei kommt ihnen die Struktur des antiken Papiers zu Hilfe. Das Material besteht aus kreuzweise verlegten Schichten von Papyrusfasern, die ein Muster mit senkrechten Linien hinterlassen haben. Sämtliche Abweichungen müssen somit durch Biegen, Drehen und Knautschen des Papyrus entstanden sein und können deshalb von der Software entfernt werden. So würden auch eventuelle Schriftzeichen deutlicher hervortreten. Darüber hinaus können die Forscher mit dem Röntgenverfahren nach kleinen Vertiefungen suchen, die der Schreibprozess hinterlassen hat.

Ihre Technik testeten die Forscher jetzt an zwei Papyri aus der Sammlung und fanden interessante Stellen: "Zum ersten Mal wurden diverse Textabschnitte mit bis zu 14 Zeilen Länge identifiziert", teilte Bukreevas Team mit. Die Wissenschaftler erhoffen sich am Ende neue Einblicke in antike Philosophie und klassische Literatur. ()