Euro-Parlamentarier gegen generelles Spam-Verbot

Der Bürgerrechtsausschuss votiert gegen generelles E-Mail-Werbeverbot, um das Recht auf freie Meinungsäußerung zu wahren.

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Während der Verhandlungen über den "Entwurf für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation" hat sich der Bürgerrechtsausschuss des EU-Parlaments am heutigen Mittwoch in Brüssel gegen ein generelles Verbot von kommerzieller E-Mail-Werbung ausgesprochen.

Der Europäischen Kommission schwebt eine Regelung vor, bei der Verbraucher nur auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin mit virtuellen Werbebotschaften in ihrer Inbox beglückt werden dürfen. Doch diese strikte "Opt-in-Lösung" ging den Abgeordneten im Bürgerrechtsausschuss zu weit. Ihrer Ansicht nach soll Spam nur dann strafbar sein, wenn die unerwünschte Werbepost ohne funktionstüchtige Absender-Adresse ausgeliefert wird und der Empfänger nicht darauf antworten kann. Außerdem müssen Werbe-E-Mails eine deutliche "Opt-out"-Funktion enthalten, so die Ausschussmitglieder, über die sich der Adressat aus der Datenbank der Online-Marketiers austragen kann.

Der Berichterstatter für die sich in Vorbereitung befindliche Richtlinie, Marco Cappato, kann mit dem Votum "durchaus leben", sagte er gegenüber heise online. Der Großteil des Spam-Aufkommens werde durch die getroffene Regelung, die vom gesamten Parlament im September erst noch bestätigt werden muss, gestoppt. Denn fast alle Spammer würden bislang unter falschen Adressen ihre Botschaften versenden. Diesem Vorgehen würde durch die Regelung ein Riegel vorgeschoben.

Gegen ein generelles Verbot spricht dem Abgeordneten zufolge, der für die linksliberalen italienischen "Radikalen" im Europaparlament sitzt, das "Recht zur freien Meinungsäußerung" im Internet. Das würde zu stark eingeschränkt, wenn jede Massen-E-Mail-Sendung nur auf ausdrücklichen Wunsch aller Empfänger hin möglich wäre.

Heftige Kritik an dem Votum äußerte dagegen Joe McNamee vom Verband der Europäischen Internet Service Provider (EuroISPA). Dem Brüsseler Lobbyisten zufolge haben die Abgeordneten schlicht nicht begriffen, dass das Bestehen auf einer "gültigen" E-Mail-Adresse des Online-Werbers die Verbraucher nicht vor Spam schützt. Auch eine E-Post an eine gültige Adresse brauche schließlich kein Mensch zu lesen oder gar zu beantworten.

Glaubt man McNamee, wird auf die europäischen Bürger in Zukunft eine Flut an "Junk-E-Mail" über den Computer und an Werbe-Kurznachrichten übers Handy zukommen. Just der Bürgerrechtsausschuss habe daher "bewusst gegen die Wünsche der Bürger votiert". Die Entscheidung sei "schlecht für die Demokratie, schlecht für die Verbraucher und letztlich auch schlecht für das Image der Europäischen Union", die sonst immer behaupte, im Interesse der Bürger zu agieren. Das von dem Ausschuss ebenfalls geforderte Verbot einer Ausweitung der Befugnisse von Strafverfolgern begrüßte McNamee dagegen ausdrücklich. (Stefan Krempl) / (jk)