Nazi-Raubkunst: Besitzer online gesucht

Seit über 50 Jahren bemühen sich Museen, Privatbesitzer und ihre Nachkommen um eine Rückführung von Nazi-Raubkunst. Das Internet spielt bei den Nachforschungen dabei eine immer wichtigere Rolle.

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  • Tilman Streif
  • dpa

Seit über 50 Jahren bemühen sich Museen, Privatbesitzer und ihre Nachkommen um eine Rückführung von Nazi-Raubkunst. Das Internet spielt bei den Nachforschungen dabei eine immer wichtigere Rolle.

Derzeit baut die Bundesregierung unter der Adresse www.LostArt.de ein Archiv von Kunstwerken auf, deren rechtmäßige Eigentümer noch gesucht werden. Was geschah nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Kunstgütern, die aus europäischen Sammlungen gestohlen wurden?

Geraubte Kunstwerke werden nicht nur in europäischen, sondern zum Beispiel auch in nordamerikanischen Sammlungen vermutet. Zwei kanadische Museen haben ihre Suche nach möglichen Raubgüter jetzt auf das weltweite Datennetz ausgeweitet. Die Nationalgalerie Kanadas war zuletzt Eigentümerin des Porträts eines sitzenden Mannes von Franz Hals. Nun präsentiert sie das um 1645 entstandene Porträt mit Dutzenden anderer Kunstwerke unter der Adresse http://national.gallery.ca/provenance/frame_e.html.

Das "Porträt eines sitzenden Mannes" ist in den vergangenen dreieinhalb Jahrhunderten von Stadt zu Stadt gereist, mindestens dreimal sogar über den Atlantik. Ein erster Verkauf in Amsterdam wird am 25. August 1773 festgehalten, zuletzt kam das Bild dann 1969 aus London in die kanadische Hauptstadt Ottawa. Dort rätselt man nun über eine Lücke in der Verkaufsgeschichte des Bilds: Was geschah mit ihm nach dem 10. Mai 1928, als in Berlin der jüdische Kunstsammler Oskar Huldschinsky das Hals-Gemälde erstand?

Im Besitz des Auktionshauses Sotheby's in London taucht das Bild wieder auf, dort ersteigert es am 24. Juni 1959 der US-Sammler Gerlad Oliven. Danach ist die Geschichte des Gemäldes wieder lückenlos dokumentiert. Auf zwei weitere Privatbesitzer folgt schließlich die Nationalgalerie Kanadas als Eigentümerin.

"Wir sind uns unserer ethischen Verpflichtung sehr bewusst und nehmen diese sehr ernst", sagt Museumsdirektor Pierre Theberge. Die Museen hatten schon vor Jahren die systematische Forschung nach Nazi-Raubgut in den eigenen Beständen beschlossen. Eine groß angelegte Präsentation im Internet, die bestohlenen Vorbesitzern die Identifikation ihres Besitzes erleichtert, bieten aber bisher nur die kanadische Nationalgalerie sowie die Art Gallery of Ontario in Toronto.

"Diese Kunstwerke haben von 1933 bis 1945 Lücken in ihrer Verkaufsgeschichte", sagt Theberge. Solche Lücken seien aber noch längst keine Beweise, sondern lediglich Hinweise darauf, dass es sich möglicherweise um Raubgut handeln könnte. "Die Aufnahme eines Bildes in die Liste zeigt, dass wir mehr Informationen benötigen, um unser Wissen über die Besitzverhältnisse während der Nazi-Zeit zu vervollständigen."

Doch weder die Nationalgalerie noch das Museum in Toronto haben bislang über das Internet einen Vorbesitzer ausfindig machen können, um eines der über 120 präsentierten Kunstwerke als gestohlen zu melden. Dennoch verzeichnen die Websites seit ihrer Einrichtung im Januar regen Besuch. "An einigen Tagen zählen wir bis zu 40.000 Menschen, die sich die Bilder ansehen", sagt Liana Radvak, eine Sprecherin der Art Gallery of Ontario. (Tilman Streif, dpa) / (wst)