Die Computer-Industrie steckt in der Sinnkrise

Trotz aller technischen Fortschritte fasziniert der Personal Computer immer größere Teile der Kundschaft nicht mehr -- die Industrie sucht nach Auswegen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 115 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Christoph Dernbach
  • dpa

Personalcomputer arbeiten immer schneller, haben immer mehr Speicher und glänzen mit leistungsstarken Grafikkarten und Soundsystemen. In den PCs von heute stecken Chips, die vor kurzem noch unter internationale Kriegswaffen-Kontroll- Bestimmungen fielen. Doch trotz aller technischen Fortschritte fasziniert der Personalcomputer immer größere Teile der Kundschaft nicht mehr. "Der PC, der die digitale Revolution in den vergangenen 24 Jahren getragen hat, hat sich in etwas Langweiliges verwandelt", meint der einflussreiche Kolumnist des "Wall Street Journal", Walter S. Mossberg, stellvertretend für viele Computer-Besitzer.

Die auf ständig hohe Wachstumsraten angewiesene Computer-Industrie steckt in einer Sinnkrise. "Die klassische PC-Industrie wird allmählich zur 'Old Economy' der Informationstechnologie", gesteht auch Compaq-Chef Michael Capellas ein. "Wenn wir uns das traditionelle PC-Geschäft anschauen, sehen wir nur noch langsames Wachstum."

Diese Einschätzung schlägt sich auch in den aktuellen Marktzahlen nieder: Der Absatz von Personalcomputern in Deutschland stieg nach Angaben des Forschungsinstituts Dataquest im vierten Quartal 2000 lediglich um drei Prozent gegenüber dem Vorjahr. Selbst die legendären PC-Verkaufsaktionen der Lebensmittelkette Aldi, bei denen sich früher die Kunden um einzelne Rechner geprügelt hatten, laufen inzwischen ganz geregelt ab, und die Pakete sind nicht mehr automatisch nach wenigen Stunden ausverkauft.

"Welchen Grund gibt es denn für den normalen User, von einem 500-MHz-System auf 1 GHz umzusteigen? Der Markt ist doch einfach gesättigt", kommentierten User die Absatzkrise der PC-Industrie. Und nicht nur private Anwender fragen nach einem Grund, sich alle zwei, drei Jahre einen neuen PC anschaffen zu müssen.

Obwohl neue Leistungsmerkmale von Programm-Paketen die PC-Besitzer nicht mehr automatisch zum Umstieg auf neue Systeme bewegen können, hofft Michael Dell, Chef des PC-Herstellers Dell, auf die Dynamik des Software-Marktes. Er glaubt, dass das neue Betriebssystem Windows 2000 von Microsoft sowie das Nachfolge-System XP auch den Verkauf neuer Hardware ankurbeln wird. "Mehr und mehr Unternehmen steigen auf Windows 2000 um. In diesem Zusammenhang wird auch die Akzeptanz von Systemen mit dem neuen Pentium-4-Chip steigen." Gleichzeitig vertraut Dell auf neue drahtlose Netzwerk-Technologien: "Diese Technik wird ein Katalysator sein, der die Leute zum Umstieg vom fest installierten Computer auf mobile Computer bewegen wird."

Dells Konkurrent Capellas von Compaq hofft darauf, die Schwächen im PC-Markt durch neue Handheld-Computer mehr als ausgleichen zu können. "Das Geschäft mit Geräten wie unserem Taschencomputer iPaq ist ganz heiß." Hersteller wie Apple Computer oder Sony zählen dagegen auf die neue Rolle des Personal Computers als Zentrum der heimischen Multimedia-Landschaft.

Apple-Chef Steve Jobs hatte auf der Fachmesse Macworld Expo sogar eine "Neue Goldene Ära" der PC-Industrie verkündet. "Der persönliche Computer ist nicht tot, er entwickelt sich weiter. Er steht im Zentrum einer vernetzten Welt des digitalen Lifestyles, dem dritten Goldenen Zeitalter der Computerindustrie." Im Mittelpunkt dieses Szenarios stehen nicht mehr immer größere Software-Pakete für Textverarbeitung, Tabellenkalkulation oder Internet-Recherchen. Mit dem neuen Multimedia-PC sollen die User ihre Urlaubsvideos digital bearbeiten, Musikstücke aus dem Internet herunterladen und sich ihre Lieblingstitel zu persönlichen CDs zusammenstellen. Der PC des neuen Zeitalters werde neue multimediale Nutzungsformen fest in den Alltag der Anwender integrieren. Bleibt abzuwarten, ob die Anwender da auch mitziehen. (Christoph Dernbach, dpa) / (jk)