Notizblock Remarkable: Hardware fast Papier, Software fast fertig

Das Remarkable ist ein digtiales Notizbuch mit E-Ink-Display und Stift. Während sich die Hardware schon fast wie Papier anfühlt, gibts bei der Software Nachholbedarf.

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Digitaler Notizblock Remarkable: Hardware fast Papier, Software fast fertig
Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Achim Barczok
Inhaltsverzeichnis

Das Remarkable soll den Notizblock aus Papier ersetzen: Das gleichnamige Startup aus Norwegen hat ein Tablet mit E-Ink-Panel und Stylus gebaut. Jetzt bekommen die ersten Vorbesteller ihre Geräte – und c't konnte das Remarkable vorab zwei Wochen lang testen.

Beim Gehäuse hat Remarkable alles richtig gemacht: Der digitale Notizblock ist etwa so schwer und dick wie eine c't, aber kompakter – als hätte man rund 3 cm in Breite und Höhe abgeschnitten. Mit seinen 356 Gramm ist es etwa 100 Gramm leichter als vergleichbare Tablets, und es liegt prima in der Hand. Man kann auf dem Gerät komfortabel zeichnen, Notizen schreiben sowie PDFs lesen und bekritzeln. Das klappt stundenlang, ohne dass es einem zu schwer wird. Praktisch: Auf der Rückseite sind oben und unten zwei Gummileisten verklebt, durch die das Remarkable nicht verrutscht, wenn man es zum Schreiben vor einen auf den Tisch legt. Bedient wird das Tablet per Touch oder mit dem beiligenden Stift.

Remarkable - Hardware (13 Bilder)

Die zusätzliche Filzhülle hat einen Halter für den Stylus.
(Bild: c't)

Anders als bei Tablets ist ein E-Ink-Display eingebaut, wie man es von E-Book-Readern kennt. Texte sehen wie auf Papier gedruckt aus und sind angenehm zu lesen. Das Schwarzweiß-Panel sieht allerdings leicht gräulich aus, wie Umweltpapier.

Für Notizbücher gibt es Dutzende Vorlagen, die man im Notizbuchmodus über das Symbol mit den drei Punkten am oberen Rand erreicht. Entweder schreibt man auf eine leere Seite, auf kariertem oder linierten Papier. Es gibt Wochenplaner, Storyboards und ungewöhnlichere Muster, die einem beispielsweise beim perspektvischen Zeichnen helfen sollen.

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Fürs Schreiben und Zeichnen ist ein Wacom-Digitizer integriert, der mit jedem beliebigen Wacom-Stylus kompatibel sein sollte. In unserem Test funktionierte ein direkt bei Wacom erworbener Stift genauso wie der eines Galaxy-Note-Tablets – Samsung nutzt ebenfalls Wacom-Technik.

Der beiliegende Stift ist in etwa so groß und schwer wie ein Kugelschreiber. Mit ihm führt man Striche so präzise wie auf einem Grafiktablett aus, nur in den Ecken weichen Stiftspitze und das Gezeichnete bis zu einem Millimeter voneinander ab.

Je nach Druck und Stiftneigung zieht das Tablet Linien dicker oder dünner. Obwohl E-Ink-Panels sonst als eher träge gelten, ist die Latenz beim Zeichnen so minimal, dass sie einen nicht stört. Dank der guten Stifteigenschaften und dem E-Ink-Panel vergisst man schnell, dass man ein Tablet in der Hand hat -- kein anderes von uns getestetes Gerät kommt dem "Papier-Gefühl" so nahe wie das Remarkable. Im Notizmodus stehen vier Stiftspitzen zur Auswahl: Ein Kugelschreiber, ein Bleistift, ein Filzstift und ein Marker.

Während der Stylus sowohl Striche aufs Papier zeichnet, als auch auch Menü-Buttons und Tasten der virtuellen Tastatur auslöst, registriert das Panel Fingerberührungen nur in den Menüs: Deshalb kann man bequem den Handballen wie auf einen echten Notizblock legen, ohne dass gezeichnete Linien zwischen Stift und Hand hin- und herspringen. Andererseits verliert das Remarkable dadurch einen Großteil seiner Funktionen, wenn man mal den Stift zuhause vergisst: Weder kann man mit dem Finger in Notizbücher kritzeln, noch Texte über die virtuelle Tastatur eintippen – letztere ist nur fürs Eintippen der Sperr-PIN und für die Suchfunktion da.

Eine nette Idee: An der Stiftoberseite gibt es ein kleines Fach, in dem sich eine Ersatzspitze versteckt. Noch praktischer wäre gewesen, wenn die Oberseite obendrein wie bei vielen anderen Tablet-Stiften gleichzeitig als Radiergummi fungiert hätte. In unserem Test nutzte sich die Stiftspitze innerhalb einer Woche relativ stark ab; außer der Spitze im Fach liefert Remarkable noch 8 weitere Ersatzteile in der Verpackung mit.

Theoretisch kann man mit dem Tablet auch wie auf einem Grafiktablett zeichnen, was aber aufgrund des Schwarzweiß-Displays und der geringen Auswahl an virtuellen Stifttypen und -dicken weniger Spaß macht als auf einem iPad Pro oder Galaxy-Note-Tablet. Einen Slot für den Stift gibt's nur an der Filzhülle, die 79 Euro extra kostet.

Ein interessantes Konzept ist der "Live-Modus". Hat man den beim Zeichnen oder Schreiben aktiviert, überträgt Remarkable das gezeichnete mit nur 0,4 bis 0,5 Sekunden Verzögerung per WLAN an den PC-Client des Anbieter. So kann man die Seite während des Zeichnens auf ein anderes Display oder Beamer werfen – wie bei einem Overhead-Projektor.

Remarkable - Software (9 Bilder)

Im Notizmodus stehen vier Stiftspitzen zur Auswahl, in denen jeweils unterschiedliche Modi aktiviert werden können.
(Bild: c't)

Praktisch ist das Remarkable für alle, die viel mit PDFs arbeiten und sie mit Notizen versehen – etwa fürs Lesen von Manuskripten. Selbst größere PDFs öffnet das Remarkable schnell und auch hier gibt's beim Zeichnen und Schreiben keine auffällige Verzögerung.

Die 10,3 Zoll Diagonale des Displays entsprechen nicht ganz DIN A4, unsere Test-PDFs in diesem Format blieben aber in allen Fällen trotz Verkleinerung gut lesbar – besser als bei jedem Kindle oder Tolino. Die Auflösung ist mit 228 dpi scharf genug, um auch Kleingedrucktes lesbar anzuzeigen.

Mit den Apps und der PC-Software von Remarkable lassen sich Notizen und Bücher synchronisieren und anzeigen. Will man sie in Diensten wie Evernote oder auf der Festplatte sammeln, muss man sie etwas umständlich als PDF oder PNGs per Mail verschicken, die das Geschriebene mit den ursprünglichen Dokumenten vereinigt.

E-Books lädt man nicht per USB, sondern per WLAN über die Clients auf den Reader. Aufgrund der rudimentären Software macht das Schmökern wenig Spaß: Als Formate werden nur PDFs und Epubs ohne DRM akzeptiert, integrierte Wörterbücher oder E-Book-Shops gibt es nicht. Blättern geht nur über die ungünstig liegenden mechanischen Tasten am unteren Rand des Displays – Springen ins nächste oder vorige Kapitel ist nicht vorgesehen. Es gibt zwar eine Handvoll Anpassungsmöglichkeiten, um etwa Schriftgröße und -Art sowie den Zeilenabstand zu verändern – aktuelle E-Book-Reader können aber deutlich mehr.

Vielleser vermissten außerdem eine integrierte Beleuchtung, wie sie inzwischen jeder teurere Kindle, Kobo oder Tolino eingebaut hat.

Als größte Enttäuschung entpuppte sich die Laufzeit: Geräte mit E-Ink-Display halten üblicherweise ewig durch, doch obwohl der Akku des Remarkable mit 3000 mAh eine doppelt so hohe Kapazität wie der eines üblichen Readers aufweist, war im Test selbst bei gelegentlicher Nutzung nach spätestens drei Tagen Schluss – egal ob das WLAN an oder aus war. Das klingt danach, als hätte Remarkable die Software für Standby nicht im Griff. Das Unternehmen verspricht, die Laufzeit mit künftigen Updates zu optimieren.

Im Labor maßen wir unter Dauerbelastung – alle 30 Sekunden eine Seite Blättern – eine Laufzeit von 19 Stunden. An einem Tag, an dem wir in Gesprächen immer wieder Notizen machten, verbrauchte das Tablet alle 2,5 Stunden rund 10 Prozent Akkuleistung, was einer Gesamtlaufzeit von 25 Stunden entspricht. Letztlich ist es da eine Frage der Perspektive: Für einen Tablet reicht das in unseren c't-Tests für ein "sehr gut", für einen E-Book-Reader ist es eher "schlecht".

Während des Tests landete per WLAN noch ein größeres Software-Update auf das Tablet (0.0.4.80), doch einige Bugs blieben auch danach bestehen. So fiel gelegentlich Touch aus, wenn das Remarkable aus dem Standby erwachte – dann konnte man nur noch per Stift steuern. WLAN-Verbindungen wurden immer mal wieder gekappt und nicht wieder automatisch verbunden. Mit einigen WLANs wollte sich das Remarkable gar nicht erst verbinden.

Auch die Menü-Texte sind teilweise noch nicht optimal für das Interface angepasst und überlagern sich an manchen Stellen. Auch gibt es noch keine Sprachanpassung: Tastatur und Interface sind nur in Englisch und Norwegisch erhältlich.

Wer viel mit Texten arbeitet oder Notizen lieber per Hand schreibt, findet im Remarkable ein interessantes Konzept: Die schön reduzierte Oberfläche und das E-Ink-Display lassen einen schnell vergessen, dass man kein Papier, sondern einen Reader in der Hand hält.

Aktuell fühlt sich die Software aber noch unfertig an, die Menüs sind nur in Englisch vorhanden, es gibt wenig Einstelloptionen und die Akkulaufzeit ist zu kurz. Die Vorteile gegenüber den dedizierten Stift-Tablets halten sich deshalb in Grenzen – zumal der Preis von 600 US-Dollar fürs Bundle aus Tablet, Stift und Hülle in der gleichen Klasse wie ein gutes Android-Tablet mit Stift spielt. Als E-Book-Reader oder Zeichenbrett taugt das Remarkable nur bedingt.

Am ehesten ist das Remarkable deshalb etwas für Early Adopter: Sie bekommen ein innovatives Produkt zu einem hohen Preis und müssen darauf hoffen, dass die Software in den nächsten Monaten die kleinen Fehler noch behebt und Features wie eine Dropbox-Synchronisation noch nachreicht.

Remarkable - digitaler Notizblock
Hersteller Remarkable, remarkable.com
Betriebssystem proprietär, Linux-basierend
Maße / Gewicht 17,7 cm x 25,7 cm x 0,7 cm / 356 g
Display-Technik / -Größe EPD (E-Ink Carta) / 15,6 cm x 20,9 cm (10,3 Zoll)
Display-Auflösung / Farbtiefe 1404 x 1872 Pixel (228 dpi) / 16 Graustufen
verfügbarer Speicherplatz / -slot 6,5 GByte / –
E-Book-Formate Epub, PDF (ohne DRM)
Laufzeit normaler / intensiver Gebrauch ~ 3 Tage / 19 h
Besonderheiten WLAN, Touch, Wacom-Digitizer
Preis (US-$) 559 (Tablet), 79 (Stift), 79 (Hülle), 600 (Bundle aus Tablet, Stift, Hülle)

(acb)