Elektrifizierte Fischerei: Neue Elektronetze für Fischkutter

Der niederländische Fischereiverband will demonstrieren, wie harmlos das sogenannte Elektrofischen ist. Eine Forschergruppe soll die tatsächlichen Auswirkungen beurteilen und gibt einen ersten Zwischenbericht.

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Fischerei: Neue Elektronetze für Fischkutter

(Bild: pulsefishing.eu)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler
Inhaltsverzeichnis

Eigentlich ist das Elektrofischen in der Europäischen Union verboten. Für den experimentellen Einsatz und die Weiterentwicklung der Technik sind jedoch Ausnahmegenehmigungen möglich. Diese Regel nutzt die niederländische Fischereiflotte seit Jahren und hat dafür 84 von etwa 440 Schiffen umgerüstet. Aber eine unabhängige Studie über die Vor- und Nachteile fehlt.

Seit 2016 untersucht nun eine Forschungsgruppe aus niederländischen, belgischen und deutschen Teams im Auftrag des niederländischen Wirtschaftsministeriums die großflächigen Auswirkungen des Elektrofischens auf Meerestiere und ihre Ökosysteme. Die Daten liefert der niederländische Fischereiverband. "Aber wir arbeiten vollkommen unabhängig“, betont Adriaan Rijnsdorp von der niederländischen Universität Wageningen als Leiter des Teams. Die Studie läuft bis 2019, aber nun liegt der Zwischenbericht vor, berichtet Technology Review in seiner aktuellen Oktober-Ausgabe (jetzt im gut sortierten Zeitschriftenhandel und im heise shop erhältlich).

TR 10/2017

(Bild: 

Technology Review 10/2017

)

Dieser Artikel stammt aus der Oktober-Ausgabe von Technology Review. Das Heft war ab dem 14. September 2017 im Handel und ist im heise shop erhältlich.

Beim Elektrofischen ziehen Schiffe bis zu 24 parallel ausgerichtete Elektroden über den Meeresboden. In schneller Folge erzeugen abwechselnd je zwei von ihnen kurze elektrische Pulse, wodurch ein elektrisches Feld entsteht. Die Ausrüstung für Plattfische arbeitet mit höheren, die für Garnelen mit niedrigeren Pulsfrequenzen. Der Wirkung ist unterschiedlich. "Plattfische wie Seezungen verkrampfen sich u-förmig und ragen mit Kopf und Schwanz nach oben. Sie können sich nicht mehr in den Meeresboden eingraben und fliehen. Shrimps katapultieren sich nach oben", sagt Rijnsdorp. In beiden Fällen lassen sich die Tiere mit den nachfolgenden Netzen leicht einfangen.

Elektrofischen gilt als Alternative zu den gängigen Grundschleppnetzen. Dabei wird ein beschwertes Grundtau über den Meeresboden gezogen und scheucht die Tiere auf, die dann vom Netz eingefangen werden. Das Verfahren schädigt die Ökosysteme am Meeresgrund schwer, der Boden wird bis zu einer Tiefe von mehreren Zentimetern umgepflügt. Zudem produziert es viel unerwünschten Beifang.

Befürworter des Elektrofischens betonen, dass diese Methode weit weniger schädlich sei. Denn die Elektroden haben weniger Kontakt zum Boden. Darüber hinaus ist die Schleppgeschwindigkeit geringer, und in derselben Zeit wird eine kleinere Fläche befischt. Die insgesamt leichtere Ausrüstung spart Treibstoff. Ab 2018 wird eine Entscheidung der EU über eine eventuelle Freigabe für das Elektrofischen erwartet.

Die Forscher sollen prüfen, ob die neue Methode wirklich besser als die alte ist. Tatsächlich nennt das Konsortium in seinem Zwischenbericht positive Auswirkungen: Per Elektrofischen wurden zumindest Seezungen in größeren Mengen gefangen. Außerdem zeigten die Experimente, dass weniger wirbellose Tiere aus den Meeresboden-Sedimenten als Beifang enden. Beides deutet auf eine bessere Selektivität hin.

Die Technik ist trotzdem umstritten, weil sie andere Fische verletzen kann. "Bei größeren Rundfischen wie Kabeljau und Wittlingen kommt es in einigen Fällen zu so starken Muskelkrämpfen, dass dadurch das Rückenmark durchtrennt wird", sagt Rijnsdorp. In kleineren Proben von den Fischkuttern fanden die Forscher bei zehn Prozent des Kabeljaus und zwei Prozent der Wittlinge Brüche im Rückenmark. Der Fischereiverband beschwichtigt, dass nur wenige Tiere verletzt würden, da Kabeljau lediglich zwei Prozent des Gesamtfangs ausmache.

Diesen und weitere Artikel lesen Sie in der neuen Ausgabe von Technology Review. Das Heft ist jetzt im Handel und im heise shop erhältlich.

(jle)