Post aus Japan: Wie Nippon seine eBike-Führung verlor

Jahrzehnte war Japan der eBike-Pionier. Doch gesetzliche Regeln, die spezielle Fahrradkultur und Benachteiligung des Individualverkehrs lassen das Land nun hinter Deutschland herradeln.

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Von
  • Martin Kölling
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Als Elektrofahrräder in Deutschland noch belächelte Exoten waren, prägten sie in Japan schon das Stadtbild. Senioren oder Mütter radelten elektrisch unterstützt zum Einkaufen oder Kindergarten. Und wenn die drei großen eBike-Hersteller Panasonic, Yamaha oder Bridgestone ihre neuen Kreationen präsentierten, kamen jeweils 50 bis 100 Journalisten zu den jeweiligen Pressekonferenzen.

Doch inzwischen ist Japan nicht länger Pionier in zweirädriger Elektromobilität, sondern abgehängt von Deutschland wie mir jüngst ein Test zeigte. Inzwischen traut sich sogar Bosch zu, in den japanischen Markt einzusteigen. Auf der Tokyo Motor Show im Oktober will der deutsche Hersteller von eBike-Motoren einen Antrieb für sportlichere Fahrweisen vorstellen und so den japanischen Platzhirschen wie Panasonic oder Yamaha Konkurrenz machen.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Der Anlass für meinen Selbsttest war mein neidischer Blick auf die eBike-Vielfalt in Deutschland. Zig Hersteller buhlen mit einem insgesamt riesigen Portfolio um einen boomenden Markt. Vom Nahverkehrs- über Last- bis Tourenrad und Mountainbike reicht die Palette. Und wer Nummernschilder und Aufpreis nicht scheut, kann sogar stärkere Motoren als die üblichen 250-Watt-Motoren ordern und sich so bis 40 km/h beim Tritt in die Pedale elektrisch unterstützen lassen anstelle der gesetzlich limitierten 25 km/h für normale eBikes.

So ein starkes Rad hätte ich auch gerne für meinen Radweg in die Innenstadt, dachte ich mir und ging in Japan auf die Suche. Doch für alles liebe Geld der Welt wurde ich bei den großen Anbietern nicht fündig. Zwar gab es jede Menge Auswahl an schweren Rädern für den Verkehr in der Nachbarschaft. Doch bei sportlichen Rädern beschränkte sich das Angebot letztlich auf wenige Tourenräder der eingangs genannten Großunternehmen.

Für rund 1.200 bis 1.300 Euro boten sie 21 bis 24 Kilogramm Gewicht (ohne Gepäckträger und Schutzbleche), etwa 16Ah-Akkus für 50 bis 70 Kilometer Normreichweite im Power-Modus. Darüber hinaus gab es eine Art Rennrad von Yamaha mit kleinem Akku und 16 Kilogramm Lebendgewicht, das etwas mehr kostete. Das war's. Um zu sehen, ob so ein Rad für meine 17-Kilometer-Pendlertouren in die Innenstadt taugt, lieh ich mir eines dieser Räder, ein Panasonic Jetter.

Es kam in einer großen Box mit geladenem Akku. Scheibenbremsen sorgten für die Bremsung, ein kleiner, simpler LED-Tacho für ein Mindestmaß an Informationen wie Modus (Power, Automatik oder Long), Ladestatus des Akku, verbleibende Reichweite und Geschwindigkeit. Und schon ging es los – und das mit Karacho.

Kaum hatte ich in die Pedale getreten, war ich auch schon mühelos 17 bis 18 km/h schnell. Doch schon bald bemerkte ich, dass der Motor nach oben hin nicht mehr viel half. Ab 24 km/h stellte er die Trethilfe rasch ein und verhalf mir zum vollen Trainingseffekt, zumal ich verglichen mit einem normalen Rad doch ein paar Kilo mehr mittreten musste. Immerhin waren Steigungen weniger anstrengend.

Ich lernte daher rasch, meine Geschwindigkeit auf 22 bis 24 km/h zu zügeln, um Akku und Motor wenigstens ein bisschen zu belasten. Dies hatte den Nebeneffekt, dass der Akku nach 30 Kilometern erst zu einem Zehntel leer, obwohl die Normreichweite des Powermodus' nur bei 52 Kilometern lag.

Die Fahrleistung war dementsprechend. Ich legte die 17 Kilometer von meiner Haustür zum Foreign Correspondent's Club in der Nähe vom Kaiserpalast in rund 59 Minuten zurück, zugegebenermaßen etwas weniger verschwitzt auf meinem sportlichen Klapprad eines deutschen Herstellers, aber rund fünf Minuten langsamer als auf meinem Rennrad bei allerdings flotter Fahrt.

Ich fragte daraufhin bei Panasonic nach, warum das Angebot bei Tourenrädern auch preislich so beschränkt sei. In Deutschland hätte ich locker bis zu 5.000 oder 6.000 Euro ausgeben können. Die Antwort lautete, dass der Markt und die Fahrradkultur anders seien. "Verglichen mit Europa ist das Hauptkriterium für die Wahl eines eBikes Einkaufen oder Kindertransport und nicht Freizeit oder Sport", erklärte ein Vertreter der eBike-Sparte. Dementsprechend sei auch der Preispunkt gewählt.

Eines war bezeichnend bei der Antwort. Die Nutzung des Rades zum Pendeln kam in dem Denken gar nicht vor. Und das ist meiner Erfahrung nach auch kein Wunder. Denn erstens versucht der Gesetzgeber, die eBikes zu bremsen. Die Trethilfe ist daher auf 24 km/h beschränkt und sinkt bei größeren Geschwindigkeiten zudem recht stark.

Zweitens scheinen die Stadtplaner und Firmen jeglichen Individualverkehr, sei er per Auto oder Rad, zu erschweren, damit sich die Pendlermassen in den Zügen und nicht den engen Straßen drängen. So gibt es zwar reichlich kostenpflichtige ober- und manchmal unterirdische Park-and-Ride-Plätze für Fahrräder an den Vorortbahnhöfen. Aber in der Innenstadt findet man keine Fahrradständer für Privaträder, sondern nur Parkverbotsschilder. Allenfalls Parkplätze für Leihräder verbreiten sich für den ortsnahen Verkehr. Also muss man illegal parken, auf die Gefahr hin, abgeschleppt zu werden.

Auch an Fahrradwegen herrscht Mangel. Zwar werden auf immer mehr Straßen Fahrradspuren angedeutet. Doch tatsächlich sind die auch zum Kurzzeitparken da, so dass die Radler immer wieder in den fließenden Verkehr einfädeln müssen. Und auf die Idee einer Premiumtrasse, auf der eBikes ungestört von Autos und Fußgängern dahinsurren können, wie in meiner Heimatstadt Bremen ist erst recht noch niemand gekommen. Der Erfolg von schnelleren eBikes und damit die Expansion von Bosch dürfte daher in Japan weiterhin beschränkt bleiben. Der eBike-Pionier droht damit, noch weiter hinterherzuradeln.

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