Das Internet ist eine Katze (aber keine niedliche)

Katzenfoto ist nicht gleich Katzenfoto: Via Twitter zeigt Jan Stuhlmacher, dass man mit solchen Bildern viel über Tier und Mensch erzählen kann.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Peter Glaser

Seit 2013 erzählt Jan Stuhlmacher alias Dizzy Fish auf Twitter die Geschichte des Tribe of Ma – der Katze Ma, ihrer Kinder und zugelaufener Katzen. Vor allem die unverfälschten Fotos vom Leben vor seiner einfachen Hütte haben ihm inzwischen einige tausend Follower aus aller Welt sowie die dazugehörige Follower-Power beschert.

Stuhlmacher stammt aus Norddeutschland. Er hat in Hamburg und Irland Linguistik, Politik und Soziologie studiert, als Übersetzer gearbeitet, eine Jugendherberge und einen Buchladen betrieben, Filme und Smartphones rezensiert. Auf einer Wiese abseits der Stadt Castlebar im Nordwesten Irlands traf er dann auf eine verwilderte Katze — "und das Lernen begann".

Anfang 2012 begann er sich um eine kranke Katze zu kümmern, die sich in seinem Garten herumtrieb. Es stellte sich heraus, dass er sich ohne sein Wissen um fünf Katzen kümmerte, denn einige Wochen später versteckte die Katze vier Katzenbabies in seinem alten Wohnwagen. Stuhlmacher wollte ab da für sich und andere Katzenfreunde dokumentieren, wie eine verwilderte Katzen ihre Kinder erzieht. "Und anscheinend", so Stuhlmacher, "benötigt das über 40.000 Fotos." Freunde schreiben, er würde von Katzen als Geisel gehalten, weshalb sich seine Beiträge manchmal anhören würden wie Hilferufe.

Anfang der neunziger Jahre hatte er über ein Stipendium in Irland studiert und festgestellt, dass ein Stück Land vor Ort vergleichsweise erschwinglich ist. Inzwischen lebt er ziemlich abgelegen in seiner selbstgebauten, spartanischen Hütte "wie im Wilden nassen Westen." Das Grundstück grenzt zu drei Seiten an Wald und Wiesen – für die Katzen als auch für Stuhlmacher ein Traum.

Dass er in einer Familie aufwuchs, zu der immer ganz selbstverständlich auch Hunde oder Katzen dazugehörten, war für ihn mit ein Grund, nach Irland zu ziehen. "Ich habe ein paar Jahre in Hamburg gelebt, in der Stadtmitte. Kein guter Platz für Katzen mit freiem Auslauf." Die Katzen in Irland "haben mich dann gefunden."

Als er seinen Job bei einer Smartphone-Website verlor, suchte er im Internet erstmal Hilfe für die Tiere. Als er Twitter-Freunden mitteilte, dass er seine Online-Präsenz einschränken müsse, schlugen die vor, ein Crowdfunding-Kampagne für den Unterhalt des inzwischen knappen Dutzends Katzen einzurichten. "Der enorme Erfolg hat meinem Zynismus großen Schaden angetan", beklagt Stuhlmacher sich scherzhaft.

Er versucht, im Einklang mit der Natur zu leben. Ob moderne Kommunikationstechnik dabei von Vorteil sei? – "Die ersten zwei Jahre hier hatte ich kein Problem, ohne Strom zu leben. Ich bin recht spät zum Internet gekommen. Und ja, es hilft dann doch, etwa die Möglichkeit, von Zuhause aus arbeiten zu können. Und jetzt hilft die Technologie natürlich bei der Verbreitung der Fotos."

Als er anfing, Fotos von halbwilden Katzen' auf Twitter zu teilen, war er nicht auf den Erfolg vorbereitet. Vielen Katzenfreunde auf Twitter haben Wohnungskatzen. Deren irische Verwandte in der Natur zu sehen, kommt fabelhaft an. Und da gibt es ja insgesamt das weltweite Bedürfnis, Katzenfotos im Netz zu verbreiten.

"Ich war nie ein Fan gestellter Fotos von geföhnten Kuscheltigern", räumt Stuhlmacher ein. "muss aber gestehen, dass ich etwas von dem LOLcat-Phänomen gelernt habe: Es ist möglich, mit einem Katzenfoto eine Menge über Katzen und ihre Menschen zu erzählen." Was er am liebsten an den Katzen mag, ist, "dass sie uns verstehen". Dass sie Empathie haben, unglaublich leicht erziehbar, lernwillig und clever sind – "und all diese Eigenschaften erfolgreich gegen uns nutzen. Was kann man daran nicht mögen?" Manche Menschen meinen, das Internet sei das Beste, was Katzen passieren konnte. Jan Stuhlmacher ist der entgegengesetzten Ansicht. "Katzen sind das Beste, was dem Internet passieren konnte, oder? Sonst würden wir uns doch noch immer Smilies auf AOL um die Ohren hauen." (bsc)