Roboter im Katastropheneinsatz: Rettung zu Wasser, zu Lande und in der Luft

Beim Rettungsroboter-Wettbewerb im italienischen Piombino proben Robotik-Teams spielerisch den Ernstfall. Boden-, Wasser- und Luftroboter müssen koordiniert die Lage erkunden, technische Probleme lösen und bei der Rettung von Personen helfen.

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Roboter im Katastropheneinsatz:Rettung zu Wasser, zu Lande und in der Luft
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Die Zeit drängt: Nach einem Erdbeben und einem dadurch ausgelösten Tsunami ist ein Kernkraftwerk stark beschädigt. Innerhalb von hundert Minuten müssen die Rettungsteams mit Hilfe von Flug-, Tauch- und Bodenrobotern die gröbsten Schäden erkennen, den Austritt von Schadstoffen stoppen und vermisste Personen finden. Das ist das grundlegende Szenario beim Roboterwettbewerb in Piombino. Nach drei Tagen mit Vorbereitungswettbewerben, bei denen die Roboter lediglich in zwei Disziplinen kooperieren mussten, hat am Freitag das Finale begonnen: In der "Grand Challenge" müssen Luft, Wasser und Boden gleichzeitig und koordiniert durchsucht werden.

Als erster ging das Tuscany Robotics Team von der Scuola Superiore Sant‘Anna di Pisa (Boden) und der Universität Florenz (Wasser, Luft) an den Start, besonders spannend wurde es für das Bodenteam: Weil der ursprünglich für den Wettbewerb vorbereitete Roboter nicht einsatzfähig war, hatte sich das Team kurzerhand entschlossen, innerhalb von zwei Tagen einen neuen zu bauen – und wurde belohnt: Der Neuling bewegte sich mühelos über das Gelände, erreichte das Gebäude und drang bis in den Maschinenraum vor.

Allerdings gelang keine echte Koordination der Aktivitäten zwischen Boden-, Wasser- und Luftrobotern. Sowohl unter Wasser als auch bei der Erkundung aus der Luft konnten die Teams zwar einige Aufgaben bewältigen, etwa die Unterwasserfahrt durch ein mit zwei Bojen markiertes Tor oder die Lokalisierung defekter Leitungen per Flugroboter. Aber die in den einzelnen Situationen erhobenen Daten wurden nicht ausgetauscht. Bemerkenswert war eine kontrollierte Notlandung des Flugroboters hinter dem Gebäude, nachdem der Funkkontakt zur Kontrollstation verlorengegangen war. Es sei jedoch "pures Glück" gewesen, dass der Roboter an der am besten geeigneten Stelle gelandet sei, räumte ein Teammitglied ein.

Roboter im Katastropheneinsatz (11 Bilder)

Der in zwei Tagen zusammengebaute Roboter des Tuscany Robotics Team ist zwar in den Maschinenraum gefallen, aber er ist drin. Das gibt einen Punkt...

Für einen Sieg im Wettbewerb reichen die Leistungen der Tuscany-Roboter nicht, dennoch zeigten sich die Teammitglieder mit dem Ergebnis zufrieden. In gewisser Weise haben sie ja eine besonders realistische Situation gemeistert, denn in vielen Katastrophenfällen ist schnelles Handeln und Improvisationsgeschick gefordert.

Weniger glücklich agierte das Team Bebot (Boden) von der Hochschule Luzern, das zusammen mit den Teams HSR Search and Rescue (Luft) von der Hochschule für Technik Rapperswil und AUV Team Tomkyle (Wasser) von der Fachhochschule Kiel antrat. Noch vor drei Tagen war der von Bebot verwendete Packbot souverän bis in den Maschinenraum gefahren und hatte dort ein Ventil geschlossen. Auf dem Weg dorthin hatte er mehrere Repeaterstationen abgesetzt, um die Funkverbindung aufrechtzuerhalten. Die kam in der Grand Challenge gar nicht erst zustande, der Roboter stand die meiste Zeit regungslos herum. Erst nach etwa einer Stunde begann er sich ruckweise zu bewegen. Als sich abzeichnete, dass der Roboter das Gelände vor dem Gebäude nicht mehr erreichen kann, entschlossen sich die Teams, am Strand den Abwurf eines Erste-Hilfe-Pakets durch den Flugroboter zu versuchen, um wenigstens dafür Punkte zu sammeln. Auch dieser Versuch missglückte, weil das Paket deutlich zu weit vom Bodenroboter entfernt landete. Gefordert ist ein Radius von einem Meter.

Auch vom Wasserteam war keine Unterstützung zu erwarten. Der Tauchroboter konnte weder die Nummer der beschädigten Leitung unter Wasser übermitteln noch die vermisste Person lokalisieren. Allerdings war das Team von vornherein nicht darauf eingestellt, bei diesem Teil des Wettbewerbs zu punkten, weil es ohne Echtzeit-Kontakt zum Roboter operierte. Die Fahrt selbst sei weniger gut verlaufen als die gestrige, sagte Teammitglied Sebastian Noak. Dennoch seien sie insgesamt zufrieden, weil der Wettbewerb die Entwicklung ihres Systems wieder ein Stück vorangebracht habe. Außerdem sei die „Wall of Shame“, an der alle zu Bruch gegangenen Komponenten aufgehängt werden, diesmal deutlich kleiner ausgefallen.

Eine fast reibungslose Mission gelang den Teams der Firma Telerob (Boden), Universitat de Girona (Wasser) und ISEP/INESC (Luft) vom Instituto Superior de Engenharia do Porto. Telemax fuhr zügig zum Gebäude, stellte davor einen Repeater ab und durchsuchte dann systematisch das Innere. Dort fand er innerhalb der geforderten dreißig Minuten den vermissten Arbeiter, lokalisierte die durch rote Tafeln dargestellten Schäden, schaute sich dann in Ruhe noch einmal alle Räume an und erstellte Umgebungskarten. Dann fuhr er wieder hinaus und untersuchte auch die äußere Umgebung des Gebäudes. Unterdessen war der Flugroboter gestartet, um zwei Hilfspakete abzuwerfen, die aber zu weit entfernt landeten. Auch bei einem weiteren Versuch wurde der Ein-Meter-Umkreis verfehlt, aber immerhin landete das Paket diesmal nah genug, sodass der Roboter es finden, greifen und bei der verletzten Person ablegen konnte.

Der Rest der Mission verging im Wesentlich mit Warten auf die Information vom Tauchroboter über die Nummer der beschädigten Leitung. Die Teams versuchten fast bis zum letzten Moment, den Informationsaustausch direkt zwischen den Robotern vorzunehmen. Schließlich wurde über Sprechfunk mitgeteilt: „Leitung Nummer vier.“ Das Schließen der zugehörigen Ventile war dann keine große Sache mehr. Vier Minuten vor Ablauf der Zeit hatte Telemax wieder den Startpunkt erreicht.

Die beiden Teams der französischen Hochschule ENSTA (École nationale supérieure de techniques avancées) traten aufgrund technischer Schwierigkeiten nicht an. Am heutigen Samstag folgen daher nur noch zwei Durchgänge: Raptors (Boden/Luft) mit Oubot (Wasser) sowie Robdos-IMM (Boden/Wasser) mit IIS Piombino (Luft). Beide Teams waren in den Vorrunden sehr stark. Trotz der überzeugenden Leistung des Telerob-Girona-ISEP-Teams ist der Wettbewerb daher weiter offen. (atr)