Impfen oder Nichtimpfen ist die Frage
Auch Jungen können von einer Impfung gegen Humane Papillomviren profitieren, heißt es. Die Angelegenheit ist allerdings ein teurer Spaß. Und das Robert Koch Institut drückt sich vor einer Empfehlung.
- Inge Wünnenberg
Beim Geld hört der Spaß auf. Das war schon immer so. Vielleicht hätte die Mutter ja gezögert, wenn sie rechtzeitig gewusst hätte, dass sie für diese Impfung insgesamt 480 Euro aufbringen muss. Das konnte das Praxisteam durch Unterschlagung eines entsprechenden Hinweises zunächst verhindern. Der Erziehungsberechtigten eines 16 Jahre alten Sohnes wurde eindrücklich erklärt, dass eine Impfung gegen Humane Papillomviren (HPV) nicht nur für die Tochter im Teenager-Alter sinnvoll sei. Denn die Viren, die unter anderem Gebärmutterhalskrebs auslösen können, werden beim Geschlechtsverkehr übertragen.
Das heißt, auch Jungen und Männer kommen mit den Erregern in Berührung. Und sie können genauso an Genitalwarzen oder sogar Penis- oder Analkarzinomen sowie an Krebs in Mund- und Rachenraum erkranken. Also auch für sie sind die Humanen Papillomviren gefährlich. Viele Mediziner – wie zum Beispiel Christian Dannecker vom Klinikum der Universität München in einem Interview mit der Webseite des Ärzteblatts – empfehlen daher, Jungen "unbedingt" zu impfen.
Also wird der Sohn befragt. "Ja", berichtet dieser, in der Schule habe man bereits darüber gesprochen. Das sei eine sinnvolle Impfung, habe sogar die Lehrerin gesagt. Später wird die Mutter erfahren, dass Ärzte – Christian Dannecker spricht es ebenfalls an – Vorträge und Aufklärung über die Humanen Papillomviren in Schulen einfordern. Am Ende ist die Mutter also überzeugt und stimmt der ersten Impfung des Sohnes zu; insgesamt soll drei Mal geimpft werden. Obendrein hat die Hausärztin der Mutter versichert, in Ländern wie Australien, Kanada oder auch Österreich werde die HPV-Impfung dezidiert auch für Jungen empfohlen und von der Krankenversicherung erstattet.
Okay, das ist der Mutter einen Versuch wert, die überraschenden Kosten bei der Krankenkasse einzureichen. Aber weder die gesetzliche Krankenversicherung noch die private Zusatzversicherung fühlen sich bemüßigt, für diese angeblich so sinnvolle Impfung aufzukommen. Im Zuge der Nachforschungen erfährt die Mutter außerdem, dass es sich hier wohl um eine der teuersten Impfungen handelt, die überhaupt auf dem Markt sind.
Nun interessiert es aber die Mutter erst recht, warum denn solch eine wichtige Impfung für Jungen offensichtlich noch irgendwie in der Warteschleife der offiziellen Impfempfehlungen hängt. Ein aktueller Beitrag des Norddeutschen Rundfunks nennt die Ursache anscheinend beim Namen: "Experten kritisieren, dass trotzdem in den meisten deutschen Bundesländern (bis auf Sachsen) nur Mädchen geimpft werden – aus Kostengründen", heißt es da wortwörtlich.
Was aber sagt nun die beim Robert Koch Institut in Berlin angesiedelte Ständige Impfkommission dazu, jene Instanz mit dem letzten Wort in solchen Dingen. Sie gibt doch die Empfehlungen heraus, die dann als Basis für öffentliche Impfempfehlungen dienen. Zur Frage, "Können auch Jungen von einer Impfung gegen HPV profitieren?", heißt es auf der Homepage wortwörtlich: "Studien zeigen, dass die HPV-Impfung auch bei Jungen bzw. jungen Männern wirksam ist." Okay, das ist eine klare Botschaft. Aber nur wenig später heißt es dann: "Da für die HPV-Impfung bei Jungen keine öffentliche Empfehlung der Länder vorliegt (außer in Sachsen), können in einem Impfschadensfall keine Ansprüche an das Versorgungsamt geltend gemacht werden."
Oha, wenn die Mutter also ihrem Sohn die zweite und dritte Impfung angedeihen lässt, ist die Familie nicht nur einen großen Batzen Geld los. Nein, falls etwas schief geht – und auch die HPV-Impfung ist nicht restlos unumstritten – steht man hier ganz allein im Regen. Und somit schließt sich der Kreis: Sinnvoll sein mag vieles. Doch wenn es darum geht, Farbe zu bekennen und Kosten zu übernehmen, wird von sämtlichen Seiten gerne ein Rückzieher gemacht. (inwu)