Kommentar: Schade ist's um Windows Mobile

Endlich hat sich mal jemand unmissverständlich zum Schicksal von Windows Mobile geäußert: Microsofts Smartphone-System steht auf dem Abstellgleis und hat keine Zukunft mehr. Ein Abgesang.

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War früher mal Windows-Phone-Chef: Joe Belfiore.

(Bild: Microsoft)

Lesezeit: 5 Min.
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Endlich hat es mal jemand gesagt. Danke, Joe Belfiore. Jetzt ist auch auch den allerletzten Träumern klar, dass Microsofts Smartphone-Betriebssystem auf dem Abstellgleis steht. Der Softwarekonzern hat sich bis zuletzt um eine klare Aussage über das Schicksal von Windows Mobile gedrückt und damit auch die Hoffnungen der Unbeirrbaren genährt. Am Wochenende hat Belfiore auf Twitter dann bestätigt, was Millionen von Fans längst schwante: Windows 10 Mobile ist so ziemlich tot.

Die Zeichen waren ja nicht zu übersehen. Apps verschwanden von der Plattform. Das Motto "Mobile first", das sich noch lange nach Satya Nadellas Amtsübernahme in Microsofts Selbstbeschreibungen gehalten hat, ist Geschichte – und damit der Anspruch, eine eigene Plattform für Smartphones in den Wettbewerb mit Apple und Google zu führen. Dass Nadella nie ein Fan von Steve Ballmers Smartphone-Plänen war, hat er in seinem kürzlich erschienenen Buch "Hit Refresh" noch einmal bestätigt.

Ein Kommentar von Volker Briegleb

In über 15 Jahren im Newsroom von heise online hat Volker Briegleb schon so manchen Trend kommen und auch wieder verschwinden sehen. Ist nicht sicher, ob das Internet oder Hertha BSC die größte Enttäuschung seines Lebens ist.

Nadella hat die von Ballmer eingefädelte Nokia-Übernahme gnadenlos rückabgewickelt. Trotzdem hat sich der CEO stets um eine klare Ansage gedrückt, wenn es um die Zukunft von Windows auf dem Smartphone ging. Im April hat Microsoft Windows 10 Mobile dann auf einen vom Desktop-System separaten Entwicklungszweig geschoben. Das Mobil-OS wird hier noch gepflegt, damit ein paar Firmenkunden ihre Sicherheitsupdates bekommen können. Aber von der Weiterentwicklung von Windows 10 ist es abgeschnitten – das klassische Abstellgleis.

Ohnehin hat kaum noch ein Hersteller ein Windows-Smartphone im Angebot – selbst das Alcatel Idol 4 Pro, das hierzulande vor ein paar Monaten dann doch noch auf den Markt kam, war nicht neu. HP will die Produktion des Elite X3 einstellen, immerhin eines der letzten Flaggschiffe im recht überschaubaren Windows-Segment. Wenn Microsoft selbst nicht hinter seiner Plattform steht, sieht auch HP keinen Sinn mehr.

Nun ist es also Joe Belfiore, der es ausspricht. Das passt: Belfiore ist "Mr. Windows Phone". Als sich Microsoft auf der Suche nach einer schnellen Rettung für das angeschlagene Windows Mobile für die unter seiner Ägide entwickelte Zune-Oberfläche entschied, wurde Belfiore die Verantwortung übertragen. Auf die Frage eines Twitter-Nutzers bestätigt er das offene Geheimnis: "Neue Features oder Hardware bauen sind nicht im Fokus".

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So ein paar klärende Worte hätte man sich früher gewünscht. Das hätten die zahlreichen Fans, die der Plattform lange die Treue gehalten haben, verdient. Auch wenn Microsofts Marktanteil bei den Smartphone-Systemen zuletzt kaum noch messbar war, reden wir hier von mehreren Millionen Nutzern. Und auch Nadella weiß: Das bei diesen Kunden verspielte Vertrauen wird Microsoft nur ganz schwer zurückgewinnen. Der neue Microsoft Launcher für Android eignet sich nicht als Trostpflaster: Er hat keine Kacheln.

Fans von Android und iOS mögen jetzt lachen: Aber das Windows-Phone-UI war ein echter Fortschritt. Mit Hubs und interaktiven Kacheln hat Microsoft das uralte Desktop-Symbol-Schema, dass sich über die frühen Handhelds auf das Smartphone gerettet hatte, deutlich weiterentwickelt. Ironischerweise erfüllte Windows Phone damit genau die Anforderung, mit der Nadella in seinem Buch sein Nein zum Nokia-Deal begründet: "Ich habe nicht verstanden, warum die Welt ein drittes Smartphone-Ökosystem brauchen sollte, es sei denn, wir ändern die Regeln."

Microsoft hatte also ein gutes System, das sich von der Konkurrenz abhob. Dass Windows Phone sich nicht durchsetzen konnte, hat auch damit zu tun, dass es heute Windows 10 Mobile heißt: Gleich zweimal hat Microsoft bei neuen Systemversionen viele Kunden zurückgelassen. Dazu kamen strategische Fehler – das System war für Hersteller zunächst schlicht zu teuer. Nach dem misslungenen Verzweiflungsakt mit Nokia musste Ballmer gehen. Sein Nachfolger hat dann nur noch halbherzig versucht, etwas zu retten.

Wenn du einen Zug verpasst hast, nimm den nächsten, meint Nadella und konzentriert sich auf das Cloud-Business und Künstliche Intelligenz. Er ist in der komfortablen Lage, dass das Smartphone-Desaster seinem Vorgänger angerechnet wird. Für Microsoft bleibt es ein dunkler Fleck in der Unternehmensgeschichte: Das muss man erstmal schaffen, ein anständiges Smartphone-System so zu versenken. (vbr)