Bibliothekare: Onleihe einzige Alternative zu Bücherbussen

Seit es keine Bücherbusse mehr gibt, fehlen auf dem Lande Möglichkeiten zum Ausleihen. Eine Alternative sehen Bibliothekare nur in elektronischen Medien. Doch den meisten Bibliotheken fehlt die Möglichkeit dazu.

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Onleihe - digitale Bücher leihen

(Bild: dpa, Axel Heimken/Illustration)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Birgit Sander
  • dpa

Während sich noch bis zum 15. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse alles um das Lesen dreht, zeigt die Karte der rund 90 öffentlichen Bibliotheken in Mecklenburg-Vorpommern viele weiße Flecken: Längst nicht alle Einwohner des Bundeslandes haben eine Bibliothek in gut erreichbarer Nähe. Eine Lösung des Problems sehen Bibliothekare in der Digitalisierung. „Veraltete Busse mit verschlissenen Medien sind jedenfalls nicht die Alternative“, sagte die Direktorin der Stadtbibliothek Wismar, Uta Mach, in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. „Die Onleihe erscheint tatsächlich als zeitgemäße Antwort auf dieses Problem.“ Dass Ältere mit elektronischen Medien nicht umgehen wollen, sieht sie nicht: „Nach den Erfahrungen in der Onleihe MV gibt es viele ältere Menschen, die sehr wohl mit Tablet und Reader zurechtkommen.“

Der Geschäftsführende Vorsitzende des Bibliotheksverbandes im Land, Robert Zepf, will die Vorstellung aus den Köpfen bekommen, dass Bibliotheken aus Regalen voller Bücher bestehen. Der Direktor der Universitätsbibliothek Rostock gibt 75 Prozent des Etats für Neuerwerbungen für digitale Medien aus. In öffentlichen Bibliotheken sei die Zahl geringer, sagte er. Doch auch diese erfuhren durch elektronische Medien einen Zulauf an Nutzern, sagt die Chefin der Stadtbibliothek Rostock, Ria Kretschmer.

Das Problem ist Zepf zufolge, dass nur ein Drittel der öffentlichen Bibliotheken, die leistungsfähigsten, im Projekt Onleihe vernetzt ist. Der Leser kann dort digitale Medien ausleihen und für einen begrenzten Zeitraum auf seinem Computer oder E-Book-Reader speichern. Auch mit Internetarbeitsplätzen können Bibliotheken punkten, etwa bei älteren Schülern, sagte die Leiterin der Stadtbibliothek Schwerin, Grit Wilke. Die Bibliothek biete attraktive Arbeitsplätze und auch Recherchetraining, etwa zu Hausarbeiten, an. Für Jugendliche bis 18 Jahren sei die Bibliotheksnutzung kostenlos.

60 Bibliotheken gehören nicht zum Kreis der Onleihe, sie können nicht einmal WLAN anbieten. „Das ist ein Indiz dafür, dass wir Nachholbedarf haben“, sagte Zepf. Sie verwies auch auf Erfahrungen in Nachbarländern. Im polnischen Westpommern und in Dänemark sei jede Gemeinde verpflichtet, eine öffentliche Bibliothek zu unterhalten.

Dass Bibliotheken von einer freiwilligen zu einer Pflichtaufgabe der Kommunen werden, ist ein verbreiteter Wunsch und eine Forderung des Deutschen Bibliotheksverbandes. Er möchte in den Bundesländern auch Bibliotheksgesetze, die verbindliche Standards für Ausstattung, Leistung und Finanzierung festlegen. Fünf Länder haben ein solches Gesetz, in Mecklenburg-Vorpommern ist laut Ministerium keins geplant.

Während die großen Bibliotheken wie in Rostock mit 22.900 Nutzern und in Schwerin mit 8000 Nutzern mit ihrer Ausstattung recht zufrieden sind, müssen kleine Bibliotheken viel Phantasie entwickeln, um über die Runden zu kommen. In Zarrenthin (Kreis Ludwigslust-Parchim) gehören dazu Öffnungszeiten am Wochenende – ein Zugeständnis an Berufspendler, wie die stellvertretende Leiterin Sabrina Haupt sagte. Denn wenn Leser Probleme hätten, die Bücher zurückzugeben, blieben sie ganz weg. Die größte Schwierigkeit sei der Mangel an Personal.

Es fehle an Zeit für Recherchen zu Neuerwerbungen und um diese dann in die Bestände einzuarbeiten. Hilfe bekomme sie vom Literaturzirkel, der Tipps zu Bestellungen gebe, sagte Haupt. Den Erwerbungsetat von 4000 Euro jährlich stocke die Bibliothek mit Flohmärkten auf, bei dem geschenkte Bücher verkauft werden. 3000 Euro kamen so im Vorjahr herein. Neue Nutzer werbe die Bibliothek unter anderem in Altenheimen, wo die Vorzüge von Hörbüchern entdeckt würden.

In Altentreptow (Mecklenburgische Seenplatte) muss die Bibliothek mit 1,5 Vollzeitstellen auskommen, wie Leiterin Simone Marquardt sagte. Da sei es jedes Mal ein Balanceakt, die Fortbildungsangebote der Fachstelle für öffentliche Bibliotheken wahrzunehmen. Das gehöre aber zu den Kriterien, um Fördermittel des Landes zu erhalten – und sei zudem interessant und wichtig. Ein großes Plus sieht sie im Umzug in ein neues Gebäude, das größere Veranstaltungen ermögliche.

Solche Probleme hat die Stadtbibliothek Rostock mit 46 Mitarbeitern in sechs Häusern nicht. Freigewordene Stellen könnten zügig neu besetzt werden, sagte Kretschmer. Der Medienbestand werde rasch aktualisiert. „Wenn ein Buch auf der Bestsellerliste erscheint, dann haben wir es 14 Tage später.“ Allerdings sei die Einarbeitung stark vom Geldzugang abhängig. Und bisher seien die Landesfördermittel für 2017 noch nicht ausgezahlt. In diesem Jahr stehen laut Ministerium für die Bibliotheken insgesamt 461.000 Euro zur Verfügung. (map)