Kritik an ehemaligem Chef des Europäischen Patentamts

Was als Fachdiskussion über die Zukunft des europäischen Patentsystems mit dem neuen Verwaltungsratschef des EPA gedacht war, entwickelte sich am Freitagabend zu einer harten Abrechnung mit dem scheidenden Präsidenten.

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Europäisches Patentamt in München

Europäischen Patentamtes (EPA) in München.

(Bild: dpa, Frank Leonhardt)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert
Inhaltsverzeichnis

Harte Kritik an der sinkenden Qualität der Patentprüfungen im Europäischen Patentamt (EPA) als Folge der Überlastung von Patentprüfern musste sich der frisch gebackene Chef des Verwaltungsrats des Europäischen Patentamts, Christoph Ernst, Ministerialdirigent im Bundesjustizministerium am Freitag anhören. Ernst hatte auf Einladung des Münchner Max-Planck-Instituts (MPI) für Innovation und Wettbewerb eine optimistisches Bild zur Zukunft des europäischen Patentsystems gezeichnet, erklärte sich aber dazu bereit, die Diskussion über das Qualitätsproblem mit den Fachleuten zu führen.

Die Patentzahlen am europäischen Patentamt steigen, das Amt ist gerüstet für neue Herausforderungen und das europäische Gemeinschaftspatent ist so gut wie fertig, lautete Ernsts optimistische Botschaft. Am ersten Oktober hat der Beamte den Vorsitz des Verwaltungsrates übernommen, zuvor saß er bereits als Leiter der deutschen Delegation in dem Aufsichtsgremium der 38 Mitgliedsstaaten und vertritt Deutschland bei der Weltorganisation für Geistiges Eigentum.

Seit Jahren ist das EPA vor allem wegen der extremen Auseinandersetzungen zwischen dem im kommenden Jahr abtretenden Präsidenten Benoit Battistelli und Mitarbeitern und Gewerkschaften in den Negativ-Schlagzeilen. Durch den extremen Leistungs- und auch psychischen Druck, der innerhalb des Amtes auf die Angestellten ausgeübt wird, würden falsche Anreize gesetzt, warnte Gero Maatz-Jansen von der Kanzlei Grünecker in München.

Statt die Anmeldungen gründlich zu prüfen, versuchten die EPA-Mitarbeiter in erster Linie die Akten schnell wieder vom Tisch zu bekommen. Mittelfristig könne die sinkende Qualität die Nutzer vertreiben und das ganze EPA-System ins Wanken bringen, sagte der Anwalt unter großem Beifall der rund 60 Teilnehmer am MPI, von denen viele eigene Beobachtungen beisteuerten.

Schwächere Entgegenhaltungen und oberflächliche Rechercheberichte zum Stand der Technik, sowie Probleme in den formalen Abläufen unterstrichen, dass die Arbeit der EPA-Mitarbeiter leide. Dem rigiden Effizienz-Kurs von EPA-Chef Battistelli begegneten die Prüfer zunehmend damit, dass sie Anmeldungen einfach wegen kleinerer Verfahrensmängel schnell zurückwiesen, sagte ein Anwalt.

Ernst rief dazu auf, Daten zu solchen Schwächen vorzulegen. Bislang fehle es an echten Nachweisen für eine Verschlechterung der Qualität, sagte er. Die Zahl der Einsprüche gegen erteilte Anmeldungen sei leicht rückläufig, ebenso die Aufhebungen und die "Vernichtungsquote" sei verschwindend gering. "Allein die Tatsache, dass mehr Patente erteilt werden, heißt nicht, dass die Qualität leidet", hielt er den Patentrechtlern entgegen.

Die von Battistelli 2016 an die Luft gesetzte EPA-Prüferin und Gewerkschafterin Elizabeth Hardon erinnerte daran, dass Mängel bei der Qualität jeweils erst in einigen Jahren in nachlaufenden Nichtigkeitsverfahren offenbar werden. Die Gewerkschafterin begrüßte am MPI ausdrücklich, dass andere aufstehen, um die Arbeitssituation am EPA zu kritisieren. "Wir sind jahrelang nicht gehört worden," sagte sie.

Steigende Patentanmeldezahlen sind nach Ansicht des Gastgebers, Reto Hilty, Geschäftsführender Direktor des MPI für Innovation und Wettbewerb, kein Beleg für ein Mehr an Innovation, um die es im Patentsystem eigentlich geht. Ein regelrechtes Rennen um hohe Anmeldezahlen in China, den USA und auch Europa beobachten die Forscher, die längst von einer "Krise des Patentsystems" sprechen.

Einzelne Krisensymptome sprach auch Ernst in seiner Rede beim MPI an. So wird bei den Vereinten Nationen intensiv über den durch Patente künstlich verknappten Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten diskutiert. Der Beamte nannte den einschlägigen UN-Bericht dazu allerdings "einseitig" und "nicht in die richtige Richtung weisend." Auch das umstrittene Thema Biopatente ist noch nicht abgeschlossen, da am EPA gerade ein neues Einspruchsverfahren gegen die Patentierung von Bier verhandelt wird. Ganz oben auf der Agenda des Bundesjustizministeriums steht schließlich eine Konsultation zu standardessenziellen Patenten.

Update, 14.10.2017 16:30 Uhr:

Name von Elizabeth Hardon korrigiert. (jam)