Coalition for Better Ads: Der Browser als "safe zone"?

Nachdem Microsoft dem Bündnis gegen Adblocker beigetreten ist, fordern Branchenverbände eine Neuausrichtung und neue Garantien. Insbesondere der Einfluss von Google soll zurückgefahren werden.

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Coalition for Better Ads: Der Browser als "safe zone"?
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
Inhaltsverzeichnis

Die Zeit läuft: Anfang 2018 will Google den Chrome Adfilter freischalten, der besonders nervende Werbung herausfiltern soll. Kurz vor dem Termin wollen Werberverbände nun die Ausrichtung der "Coalition for Better Ads" ändern. Google hatte das Bündnis ins Leben gerufen, um gemeinsam mit Werbetreibenden, der Werbeindustrie und Publishern neue Standards gegen besonders nervtötende Werbung zu schaffen und somit den steigenden Gebrauch von Adblockern auszubremsen.

In einem offenen Brief verlangen die Spitzen der Verbände Interactive Advertising Bureau, Association of National Advertisers und American Association of Advertising Agencies nun wesentliche Reformen in dem Zweckbündnis. Insbesondere fordern die Verbände, dass nicht Google oder ein anderer Browserhersteller alleine entscheiden dürfe, welche Werbungsformen gesperrt werden sollen. Auch sollen die betroffenen Unternehmen eine Chance bekommen, gegen solche Entscheidungen Einspruch zu erheben. "Wir glauben, dass mit unseren Vorschlägen die Ziele der Coalition schnell, mit maximaler Partizipation und großer Effektivität erreicht werden können", heißt es in dem Schreiben.

Diese Forderungen sind eine Absage an Googles bisherige Pläne. So hat der Konzern zwar der Coalition for Better Ads überlassen, die künftig unzulässigen Werbeformen festzulegen. Bei der Umsetzung dieser Empfehlungen setzt Google aber vor allem auf die eigenen Ressourcen. So hat der Konzern auf eigene Faust erhoben, welche Websites die kritisierten Werbeformate einsetzen und hat auch schon Warnungen an die betroffenen Website-Betreiber verschickt, wenn diese beispielsweise Pop-Ups oder Autoplay-Videos mit Ton einsetzten. Bei der Umsetzung des Adfilters im konzerneigenen Browser will Google zwar mit der Branche kooperieren, hat aber bisher keine formellen Einspruchsrechte vorgesehen.

Wie das Fachmagazin Ad Age berichtet, wurde Google von den nun öffentlich publizierten Forderungen überrascht. Die Coalition for Better Ads hat den offenen Brief nur sehr vorsichtig kommentiert. "Die Vorschläge werden zu unseren andauernden Diskussionen in unserer Arbeit für ein besseres Werbeumfeld berücksichtigt werden", erklärt ein Vertreter des Bündnisses gegenüber heise online.

In dem offenen Brief verlangen die Werber auch neue Garantien, von Adblockern verschont zu werden. Statt sich auf die Abstrafung von schwarzen Schafen der Werbebranche zu konzentrieren, solle die Coalition for Better Ads eher einen "safe harbor" für Werbung schaffen. Das heißt: Wer sich an die von der Coalition for Better Ads gestellten Bedingungen hält, soll eine Garantie bekommen, dass seine Werbung nicht durch Browser oder anderen Auslieferungstechnologien blockiert wird.

In dem Punkt bleibt der offene Brief aber sehr vage: Nach dem Wortlaut könnten die Werber-Verbände von Google nicht nur Mitsprache beim eigenen Adfilter verlangen, sondern zudem die Integration von Adblockern anderer Hersteller verhindern. Bisher hat Google im Desktop-Browser Chrome zahlreiche Plug-Ins zugelassen, die Werbung blockieren. Auf Android fährt der Konzern jedoch eine härtere Linie: Zwar darf Werbung nicht zentral oder oder gar in Chrome blockiert werden, eigene Browser mit Adblocker-Funktion sind jedoch zulässig. Sollte auch Android ein "sicherer Hafen" für Werbeunternehmen werden, müssten wohl auch diese aus dem offiziellen Play Store entfernt werden.

Dem Schreiben vorangegangen war eine öffentliche Auseinandersetzung mit Apple, um die in den konzerneigenen Browser Safari integrierte Anti-Tracking-Funktion. Diese war von den Werbeverbänden als "Sabotage" gebrandmarkt worden. Apple wies die Kritik jedoch zurück, was nun zu eiligen Anpassungen der Werbebranche führt. So baut beispielsweise Google seine Auslieferungsketten so um, dass keine Third-Party-Cookies mehr benötigt werden.

Auch die Mozilla Foundation fährt bei ihrem Open-Source-Browser Firefox einen härteren Kurs gegen Tracking-Technologien. Sollte nun jeder Browser-Hersteller eigene Einschränkungen machen, befürchten die Werberverbände Chaos. "Ein solcher Ansatz ist schlichtweg unhaltbar", heißt es in dem offenen Brief. Die Folge der Aufspaltung des Internets in "walled gardens" der Browserhersteller würde dafür sorgen, dass neben den Werbeumsätzen auch die Qualität der Werbung sinke.

Für Hoffnung sorgt bei den Werbern unterdessen ein Neuzugang bei der Coalition for Better Ads. So hat Microsoft Ende September seinen Beitritt zu dem Bündnis erklärt. Allerdings ist noch unklar, ob sich der Konzern nur mit der eigenen Werbesparte beteiligen will, oder auch der konzerneigene Browser Edge einen Filter nach den Vorgaben der Coalition for Better Ads erhalten soll. Wäre das der Fall, bekäme die Forderung nach einer unabhängigen Verwaltung einer etwaigen Blockliste neues Gewicht. (des)