Hintergrund: Telekom will US-Mobilfunkmarkt aufmischen
Nach der Genehmigung der Übernahme des US-Mobilfunkbetreibers VoiceStream durch die Aufsichtsbehörde FCC ist Ron Sommer wieder oben auf.
Auf diese Entscheidung hatte Telekom-Chef Ron Sommer sehnsüchtig gewartet. Nach der Genehmigung der Übernahme des US-Mobilfunkbetreibers VoiceStream durch die Aufsichtsbehörde FCC ist der in den letzten Wochen stark in die Kritik geratene Vorstandsvorsitzende wieder oben auf. Dem Einstieg der Telekom in einen der weltweit größten und attraktivsten Märkte ist damit so gut wie perfekt. Und Sommer kommt seinem Ziel näher, die Telekom zu einem internationalen Branchenriesen zu machen.
In Frankfurt bezeichnete er am Donnerstag die Übernahme des sechstgrößten US-Mobilfunkbetreibers als "Meilenstein". In den nächsten Wochen soll die letzte, kleinere Hürde genommen werden: So steht noch der Segen des Ausschusses für Auslandsinvestitionen in den USA aus, was aber nach Einschätzung von Experten kein Problem sein sollte.
Die Telekom ziehen vor allem die gigantischen Marktpotenziale in die USA. Dort wird in der Mobiltelefonie in den kommenden Jahren ein wesentlich höheres Wachstumstempo erwartet als in der Alten Welt. Erst jeder dritte US-Bürger besitzt derzeit ein Handy. Das liegt auch daran, dass im Land der unbegrenzten Möglichkeiten die Mobilfunkwege noch verworren sind: So kann es passieren, dass ein Außendienstmitarbeiter einer New Yorker Firma beim Kundenbesuch in New Jersey nicht auf dem Handy angerufen werden kann. Schwer vorstellbar für einen Europäer, der dank des einheitlichen Mobilfunkstandards GSM von Helsinki bis Palermo erreichbar ist.
Um so lohnender erscheint der Auftritt in Übersee: Bis Ende 2003 werden nach einer Marktprognose acht von zehn US-Bürgern ein Handy besitzen. Gegenwärtig sind es erst 40 Prozent. Mittelfristig seien 100 Prozent vorstellbar. Damit könnten in den USA mehr Neukunden gewonnen werden als in Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien zusammengenommen, rechnen sich die Bonner aus. Und GSM macht möglich, was bislang für Europäer unmöglich war: Sie können mit ihrem Handy problemlos von San Francisco bis Frankfurt telefonieren.
Denn beim Markteintritt in den USA setzt die Telekom auf den in Europa bewährten Mobilfunkstandard GSM. Die in Bellevue, US-Bundesstaat Washington, beheimatete VoiceStream verfüge derzeit als einziger US-Anbieter über ein nahezu flächendeckendes GSM-Netz, sagt Sommer. Ein Vorteil, der "gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann".
Doch bevor die Dollars so richtig sprudeln, steht der Telekom in den USA eine längere Durststrecke bevor. Denn die erst sieben Jahre alte VoiceStream fährt noch hohe Anlaufverluste ein, die die Bilanzen der Telekom belasten werden. Im Jahr 2000 lagen die Nettoverluste, bedingt vor allem durch Zukäufe kleinerer Wettbewerber (Omnitel, Aerial), bei gut 2 Milliarden Dollar. Das war sogar mehr als der gesamte Umsatz des Unternehmens.
Wie teuer das Startgeld in den USA ausfällt, ist derzeit noch nicht sicher. Als die Telekom den Zukauf im Juli 2000 ankündigte, lag der Kaufpreis (3,2 T-Aktien für ein VoiceStream-Papier, plus 30 US- Dollar in bar) umgerechnet bei mehr als 100 Milliarden DM. Inzwischen sind die T-Aktien mit knapp 30 Euro aber deutlich weniger wert. Das bedeutet, der Kaufpreis für VoiceStream ist auf rund 75 Milliarden DM geschrumpft.
Analysten halten den Erwerb für einen strategisch richtigen Schritt. Allerdings könnte nach Abschluss der Übernahme, die Ende Mai erwartet wird, ein Verkaufsdruck die T-Aktie belasten, meint Frank Rothauge vom Bankhaus Sal. Oppenheim. Schließlich erhalten die VoiceStream- und Powertel-Aktionäre knapp eine Milliarde neue T- Aktien.
Und von diesen Papieren könnten sich manche Kleinaktionäre vorzeitig trennen. "Das ist ein ernsthaftes Problem", räumt auch Sommer ein. Aber mehr als 100 bis 150 Millionen Papiere sollten es nicht sein. Die gebeutelten T-Aktionäre müssen sich jedenfalls weiter in Geduld üben. Die T-Aktie sei zwar drastisch unterbewertet, meint Analyst Rothauge: Ein Anstieg von mehr als 15 Prozent sei wegen des VoiceStream-Kaufs kurzfristig aber nicht drin. (Peter Lessmann, dpa)/ (cp)