Nano-Satelliten: Disruption in der Raumfahrt

Mini- und Nano-Satelliten können das Raumfahrtgeschäft grundlegend verändern. Hunderte davon sollen in den nächsten Jahren in einen Erd-Orbit befördert werden, hieß es auf der RISpace.

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Nano-Satelliten: Disruption in der Raumfahrt

Mini-Satelliten: Das kleinste Exemplar aus der Satellitenfamilie der Glasgower Firma Clyde Space

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Lesezeit: 4 Min.
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  • Hans-Arthur Marsiske
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Glasgow ist ein Zentrum der europäischen Raumfahrt – nicht nur, weil sich dort in dieser Woche die Reinventing Space Conference (RISpace) trifft. Vielmehr wurden in der größten Stadt Schottlands in den letzten zwei Jahren mehr Satelliten gebaut als in jeder anderen europäischen Stadt, wie Peter Anderson von der Firma Clyde Space auf eben dieser Konferenz berichtete. Das sind überwiegend kleine Geräte, nicht viel größer als Tennisbälle, aber dafür sollen in den kommenden Jahren hunderte davon in einen Orbit befördert werden und könnten das Raumfahrtgeschäft grundlegend verändern.

Erstmals 2003 in Kalifornien unter dem Titel "Responsive Space" veranstaltet, ist die RISpace vor drei Jahren nach Großbritannien umgezogen, wo sie von der British Interplanetary Society organisiert wird. Die jährlich stattfindende Konferenz beschäftigt sich vorrangig mit kostengünstigen Zugängen zum Weltraum und neuen Nutzungsmöglichkeiten der dortigen Ressourcen.

In diesem Jahr war der erste Konferenztag klar von den Winzlingen im All, den Nanosatelliten, dominiert. Die Zahl der um die Erde kreisenden Satelliten könnte sich in den kommenden Jahren verzehnfachen, sagte Stuart Eves (Surrey Satellite Technologies Ltd., SSTL) bei der Begrüßung der Teilnehmer. Raumfahrt werde mehr und mehr von privaten Interessen angetrieben, Zeitpläne würden immer straffer, Kostenmanagement immer wichiger.

Es gibt technologische Fortschritte. So konnte Anderson eine Gewichtsersparnis von 50 Prozent beim neuen "Attitude Determination and Control System" vermelden, das bei Clyde Space entwickelt worden ist. Steve Greenland (Craft Prospect Ltd.) berichtete von Forschungen, die Kapazitäten zur Datenverarbeitung an Bord der Satelliten zu verbessern. Die hierfür entwickelten Algorithmen sollen zunächst mit Drohnen getestet werden. Das Anwendungsszenario hierfür ist die Wartung von Off-shore Windkraftanlagen.

Roboter, die Wartungsarbeiten ausführen, Satelliten betanken oder abschleppen können, werden auch im All dringend benötigt. Eine Voraussetzung dafür ist, dass sie die sichere Annäherung und das Andocken an die Objekte ihrer Arbeiten beherrschen. Die Forscher bei SSTL wollen dafür Laserscanner und Kameras als Sensoren verwenden, erklärte Steve Eckersley. Die Technologie soll zunächst mit zwei kleinen Satelliten getestet werden.

Die Fähigkeit, Satelliten zu reparieren und gegebenenfalls abzuschleppen, ist zum einen wichtig, weil dadurch die Missionsdauer der teuren Geräte verlängert werden kann. Vor allem aber muss dem drängenden Problem des Weltraummülls begegnet werden, das sich durch die wachsende Zahl kleiner Satelliten drastisch verschärfen wird.

So will die Firma Orbital ATK bereits Ende 2018 ihr neu entwickeltes Mission Extension Vehicle MEV-1 starten. Es soll der erste einer ganzen Flotte von Servicesatelliten werden, sagte Joseph Anderson, die andere Satelliten betanken, größere Strukturen zusammenbauen und Transportaufgaben übernehmen können. "Ein Fehler der Trägerrakete muss dann nicht mehr das Scheitern der gesamten Mission bedeuten", erklärte Anderson.

Ein im falschen Orbit abgesetzter Satellit könne von einem MEV in die richtige Umlaufbahn gebracht werden. MEV-1 sei bereits für die ersten fünf Jahre gebucht. Seine Lebensdauer sei aber auf 15 Jahre veranschlagt. Innerhalb dieser Zeit sollen mehr als zehn Andockmanöver durchgeführt werden können.

Dass Nanosatelliten nicht nur selber Müll produzieren, sondern auch helfen können, ihn im Blick zu behalten, zeigte Philippe Blondel (University of Bath). Mithilfe dynamischer Konstellationen kleiner Satelliten ließen sich gerade kleine Müllobjekte aus der Nähe und aus unterschiedlichen Winkeln beobachten. Dafür müssten die Satelliten abwechselnd als Sender und Empfänger elektromagnetischer Signale dienen. Solche Konstellationen könnten nach und nach aufgebaut werden und könnten die vom Boden aus durchgeführten Beobachtungen durch detaillierte Informationen ergänzen.

Wie "disruptiv" all diese Entwicklungen sind, konnte auch eine Podiumsdiskussion nicht abschließend klären. Einig waren sich die Teilnehmer, dass es nicht notwendigerweise um neue Technologien ginge, sondern auch um neuartige Nutzungen existierender Technologien.

Klaus C. Michel (Tesat-Spacecom GmbH) brachte als Beispiel einer disruptiven Technologie die Laserkommunikation zwischen Satelliten, die ein Relaissystem im All ermöglicht habe. Während die Daten von Erdbeobachtungssatelliten bis dahin nur übermittelt werden konnten, wenn die orbitale Position es erlaubte, war der Download nun jederzeit und an jedem Ort möglich.

Gegenwärtig seien die Betreiber großer Satelliten herausgefordert. Der Markt verschiebe sich, große Satellitenkonstellationen erforderten neue Rezepte, gerade in den Bereichen Erdbeobachtung und Kommunikation. In welche Richtung die Reise geht, konnte aber auch er nicht sagen. "Ich kämpfe immer noch darum, zu verstehen, was gerade im Kommunikationsmarkt passiert", gab er zu. (jk)