Prost Mahlzeit!

Ein täglicher Drink, ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Probleme und 67 Millionen Dollar von der Alkohol-Industrie – das sind die Zutaten für eine Studie zum Alkohol-Konsum und seinen Auswirkungen. Die Fahne weht einem bereits entgegen.

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Es ist eigentlich eine immerwährende Krux: Die Forschung möchte unabhängige Studien durchführen, um zu validen und nachvollziehbaren Ergebnissen zu kommen. Die Industrie möchte ihre Produkte mit einem guten Image vermarkten, wenn deren Bedeutung durch Studien untermauert wurde, umso besser. Das klassische Beispiel dafür waren Studien zum Tabakkonsum, die durch die Tabak-Industrie gefördert wurden. In jüngster Vergangenheit machte Coca-Cola einer Organisation, die die Ursachen für die große Zunahme von Übergewicht und Fettleibigkeit erforschen sollte, ein millionenschweres Geschenk zur Gründung. Solches Engagement hinterlässt immer einen faden Beigeschmack. Zumal es bei diesem Beispiel offenbar auch an der nötigen Transparenz fehlte.

Bei einer nun angekündigten, großangelegten Studie zum Zusammenhang von gelegentlichem Alkohol-Konsum und der Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems will man Fallstricke wie diese nun umgehen – trotz reichlich Förderung durch große Alkohol-Anbieter. Wie Wired berichtet, planen die National Institutes of Health (NIH) erstmals eine Gruppe, die täglich ein alkoholisches Getränk zu sich nimmt, mit einer Gruppe zu vergleichen, die abstinent bleibt. So will man genauer feststellen, ob Herz-Kreislauf-Krankheiten tatsächlich vom Alkohol herrühren. Mit dem Epidemiologen Kenneth Mukamal hat man einen Studienleiter gefunden, der sich für das Design der Untersuchung verantwortlich zeichnet. Durch Erfahrungen aus vorherigen Studien sollen die alkoholtrinkenden Teilnehmer täglich einen Drink ihrer Wahl zu sich nehmen. Bei insgesamt 7.000 Teilnehmern mit erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen kommt man für die Studie also auf 3.500 Probanden, die über sechs Jahre täglich ein Getränk zu sich nehmen sollen – und das will schließlich bezahlt werden. Dank der Stiftung der NIH können fünf große Konzerne mit ins Boot geholt werden: Neben Carlsberg, Pernod Ricard und Diageo sind das Heineken – der zweitgrößte Brauereikonzern der Welt, und Anheuser-Busch InBev – die weltweit größte Brauereigruppe. Zusammen steuerten sie bisher 67 Millionen Dollar bei. Die Studie rückt damit noch vor ihrem eigentlichen Beginn in rührige Bierseligkeit.

Zwar versichern Mukamal und Peggy Murray, eine weitere Studienmitarbeiterin, dass sie selbst nicht mit Vertretern der Unternehmen zu tun oder mit ihnen gesprochen hätten. Auch hätte Mukamal erst kürzlich davon erfahren, dass Unternehmen der Alkohol-Industrie die Studie unterstützen. So gern man ihm glauben möchte und so begrüßenswert eine Abschirmung der durchführenden Forscher von den Sponsoren ist, so scheint doch eine solcher Graben immer noch nicht tief genug zu sein, um unabhängige Studienergebnisse zu garantieren. Dem angefragten Arzt, Jimmy Volmink aus Südafrika, der an der Studie mitarbeiten sollte, jedenfalls hatte Bedenken und sagte seine Teilnahme ab.

Seine Bedenken sind nicht unberechtigt. Folgt man Untersuchungen, die Ergebnisse von von der Industrie gesponserten Studien im Bereich der Pharmazie analysieren (Studie 2003, Studie 2017), so kommen solche Studien eher zu einem Ergebnis, das das getestete Produkt beziehungsweise Medikament des Industriekonzerns begünstigt als solche Studien, die andere, das heißt Branchen-fremde Sponsoren aufweisen. Insofern umweht auch die großangelegte Untersuchung, deren Teilnehmergruppen unter anderem aus Nigeria, Argentinien, Europa und den USA kommen sollten, und die erstmals vielleicht Licht in den ewigen Volksweisheit Streit darüber bringen könnte, ob denn nun ein Glas Wein am Tag vor einem Herzinfarkt schütze, bereits jetzt eine trübe Alkoholfahne. Wir werden leider erst in ein paar Jahren erfahren, zu welchem Schluss Mukamals Studie kommt. Bis dahin: Prost Mahlzeit!

(jle)