Komplett vermessen

Jun Wang, ein kühner chinesischer Entrepreneur, möchte sämtliche Körperfunktionen von Gesunden überwachen, um Krankheiten schon im Keim zu ersticken.

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Von
  • David Ewing Duncan

Dieser smarte Spiegel ist nicht besonders clever“, findet Jun Wang. Es sei nicht mehr als eine Kamera, kombiniert mit einer spiegelnden Fläche. Der 41 Jahre alte chinesische Biologe und Computerwissenschaftler will sich darin aber zukünftig als „exakte 3D-Version“ sehen und außerdem Informationen über den Zustand seines Körpers erhalten. Der Gründer der Firma iCarbonX deutet auf die obere rechte Ecke: „Dort will ich dann beim Zähneputzen etwas über meine Gesundheit lesen: über mein Gewicht, meinen Blutdruck und meinen Puls. Und darüber, wie das alles mit meiner DNA korreliert.“

Solch ein intelligenter Spiegel ist nur eines von mehreren Geräten, die Wang in der Planung hat. Sie sollen Gesundheitsdaten von ihm selbst und von Millionen Mitmenschen sammeln, analysieren und am Ende den Teilnehmern die Ergebnisse wieder zugänglich machen. Zu diesem Zweck will Wangs ambitioniertes Personal-Health-Unternehmen mit Sitz im südchinesischen Shenzhen mehr Gesundheitsdaten erfassen als je zuvor.

Es beginnt mit der DNA-Sequenz und umfasst Daten von Fitbit-artigen Wearables, die Schritte, Herzfrequenz und Schlafmuster messen. Hinzu sollen regelmäßige Bluttests kommen, um verschiedene Proteine und Enzyme zu kontrollieren. Die Werte, so Wangs Idee, könnten zeigen, wie es um das Herz bestellt ist, oder sie signalisieren sehr frühe Anzeichen von Krebs. Außerdem will iCarbonX Daten über Stoffwechselprodukte, den Cholesterin- und Zuckergehalt im Blut und Details aus der medizinischen Vorgeschichte des Teilnehmers zusammentragen. Wangs Ziel: eine kontinuierliche Überwachung der Gesundheit. Noch bevor die Teilnehmer in die Frühphase einer Krankheit eintreten, würden sie Vorschläge erhalten, wie sie ihre Ernährung oder ihr Verhalten bessern könnten. Es geht Wang also nicht darum, Krankheiten zu behandeln, sondern sie gar nicht erst entstehen zu lassen.

Dass Wangs Vision überhaupt eine Chance auf Realisierung hat, liegt unter anderem daran, dass DNA-Sequenzierung immer billiger wird und dass es inzwischen möglich ist, viele Tausend biologische Stoffe und Prozesse im Körper zu erfassen. iCarbonX ist eines von einer ganzen Reihe Unternehmen, die in diesen Daten sinnvolle Zusammenhänge finden wollen. Geht es nach diesen Start-ups, reagiert die Medizin künftig nicht mehr auf eine bereits bestehende Krankheit, sondern hält die Menschen für einen Bruchteil der Kosten gesund. Um aber dieses Puzzle mit seinen Millionen Teilchen zu lösen, müssen künstliche Intelligenz (KI) und andere fortgeschrittene Computertechniken zum Einsatz kommen. „Dank KI können wir all diese Informationen verarbeiten und Ihnen Dinge erzählen, die Sie bislang nicht über Ihre Gesundheit wussten“, hofft Wang. (inwu)