Studie: Digitalisierung der Schulen kostet 2,8 Milliarden Euro jährlich

Forscher kommen im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung zu dem Ergebnis, dass der von Bund und Ländern geplante Digitalpakt finanziell nicht ausreichend unterfüttert ist. Nötig sei ein gemeinsamer "Kraftakt", in den Eltern einbezogen werden sollten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 175 Kommentare lesen
Computer in Schule

Schüler in Deutschland sind oft mit der IT-Ausstattung an ihren Schulen unzufrieden.

(Bild: dpa, Marc Tirl/Symbolbild)

Lesezeit: 4 Min.

Die Politik hierzulande plant nicht genügend Geld ein, um die Digitalisierung der Schulen zu stemmen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forscherteam um Andreas Breiter vom Institut für Informationsmanagement der Universität Bremen (ifib) im Rahmen einer am Freitag veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung zur IT-Ausstattung im Bildungswesen. Eine "lernförderliche Infrastruktur" schlägt demnach mit rund 2,8 Milliarden Euro im Jahr zu Buche. Das Bundesbildungsministerium will mit seiner Initiative für einen "Digitalpakt" dagegen zwischen 2018 und 2022 pro anno "nur" eine Milliarde Euro in vernetzte Klassenzimmer, Online-Inhalte und die Lehrerfortbildung stecken.

Jährlich fallen laut der neuen Untersuchung für eine digitale Grundschule durchschnittliche Kosten in Höhe von rund 45.500 Euro an, wenn sich vier bis fünf Schüler ein Endgerät wie ein Smartphone, Tablet oder Laptop teilten und es einen Computerraum mit 24 Plätzen gebe. Für eine stärker bestückte weiterführende Schule, in der jeder ein Mobilgerät nutzen könne, liege der Vergleichswert bei etwa 300.000 Euro. Das entspreche Ausgaben von rund 260 Euro beziehungsweise 400 Euro pro Schüler. Bei den aktuellen Zahlen der Lernenden ergebe sich daraus die berechnete Gesamtsumme, wobei Investitionen in Infrastruktur und Endgeräte dabei über einen Zeitraum von fünf Jahren umgelegt seien.

Die Ausgaben für die notwendige einmalige Erstanbindung der Schulen ans Breitbandnetz und für die Fortbildung der Lehrerkollegien sind dabei noch nicht berücksichtigt. Einbezogen sind dagegen die laufenden Kosten für einen breitbandigen Internetanschluss, ein modernes internes Netzwerk und zusätzliche "Multifunktionsgeräte" etwa zum Scannen oder Drucken. Auch Software-Lizenzen, pädagogische Unterstützung sowie Schulserver und Support sind enthalten.

Andererseits ist laut den Verfassern zu berücksichtigen, dass die Kommunen nicht bei Null anfangen. Schätzungen auf Basis der Ausgaben einzelner Städte und Gemeinden deuten darauf hin, dass insgesamt bereits 20 bis 50 Prozent der jährlichen 2,8 Milliarden Euro von kommunaler Seite aufgebracht würden. Dies beziehe sich insbesondere auf Endgeräte und die Basisinfrastruktur, wofür auch bereits teils Gelder aus den Länderetats flössen.

Die Höhe der nun veranschlagten Kosten zeigt für Jörg Dräger aus dem Vorstand der Bertelsmann-Stiftung aber, dass Kommunen und Länder diese nicht allein bewältigen könnten. "Die Digitalisierung der Schulen braucht jetzt einen Kraftakt", fordert er. Alle Beteiligten einschließlich des Bundes müssten sich "zügig darauf verständigen, Schulen beim Lernen mit digitalen Medien dauerhaft und auskömmlich zu unterstützen". Einmalige Investitionen seien nicht ausreichend. Auch die Eltern will Dräger nicht außen vor lassen: es sei zu klären, inwieweit diese an den Kosten für individuelle Endgeräte "fair und entsprechend ihrer finanziellen Möglichkeiten im Rahmen der Lernmittelfreiheit beteiligt werden können".

Die Länder beklagen seit Längerem, dass selbst der bisher skizzierte Digitalpakt bislang ein Luftschloss sei und der Bund die Mittel noch gar nicht fest eingeplant habe. Die Bundesregierung vertröstete sie im Sommer auf die vor Kurzem gestartete neue Legislaturperiode. Laut einer aktuellen Ansage des Bildungsministeriums soll die Vereinbarung mit den Ländern bis Ende des Jahres stehen. Die möglichen Jamaika-Koalitionspartner haben sich in ihren bisherigen Sondierungspapieren erst einmal nur wolkig und allgemein zur Schuldigitalisierung bekannt.

Die Organisation LobbyControl warnt derweil davor, dass IT- und Internetkonzerne von Apple über Microsoft bis zur Deutschen Telekom "die Bildung längst als wichtiges Spielfeld entdeckt" hätten und der Markt mit den im Raum stehenden staatlichen Milliardenausgaben immer lukrativer werde. Insbesondere Google versuche mit einer groß angelegten Lobbykampagne an Deutschlands Schulen Fuß zu fassen. So habe der Internet-Gigant mit der "Zukunftswerkstatt" ein Programm gestartet, dass VR-Brillen an Schulen bringen soll und Fortbildungen anbietet. Ein weiterer Akteur sei die Telekom-Stiftung, die derzeit vor allem "in die Lehrerausbildung eingreift" und seit 2003 knapp 20 Millionen Euro ausgegeben habe. Digitalisierung und deren Ausgestaltung dürfe aber nicht Konzernen überlassen werden. (kbe)