Jenseits der Enzyklopädie: Wikimedia plant für die Zukunft

Bis 2030 will Wikimedia zur essenziellen Plattform für freies Wissen werden. Mit dem vereinten Widerstand gegen Fake News will die Stiftung auch politische Wirkung entfalten.

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Wikipedia

(Bild: dpa, Jens Büttner/Archiv)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
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Mit einem neuen strategischen Plan will die Wikimedia Foundation die Weichen für die Entwicklung der nächsten Jahre stellen. In dem nun vorgestellten Papier stehen insbesonders zwei Motive im Vordergrund: Unter der Überschrift "Wissen als Service" sollen neue Wege gesucht werden, wie Wissen jenseits der strengen Enzyklopädie-Form aufbereitet werden kann. Unter der Zielvorgabe "Wissens-Gerechtigkeit" sollen insbesondere Gruppen gefördert werden, die bisher durch Machtstrukturen von der Teilhabe ausgeschlossen waren.

"Wir sind noch weit davon entfernt, die Summe allen Wissens gesammelt zu haben", heißt es in dem Papier. "Die meisten der Inhalte, die wir erstellt haben, bestehen aus Langtext-Enzyklopädie-Artikeln und Standbildern, was viele andere Arten von Wissen auslässt." Auch sei die Zusammensetzung der Wikipedia- Autorenschaft heute kaum repräsentativ: Der Frauenanteil sei niedrig, ebenso fehlen Freiwillige, die das Wissen für viele Sprachen aufbereiten, die nicht in westlichen Ländern gesprochen werden.

Mit einer Banner-Aktion sucht Wikipedia neue Helfer.

(Bild: Wikipedia)

Dies schade auch der Akzeptanz des Wissens: "Leser stellen oft die Zuverlässigkeit des Inhalts, den wir schaffen, infrage, insbesondere weil er nicht genau, nicht umfassend, nicht neutral ist oder weil sie nicht verstehen, wie er produziert wird und von wem", stellen die Beteiligten des Strategieprozesses fest. Ein Rezept, diese Mängel zu beheben, seien unter anderem neue Formen der Wissensvermittlung wie Video-Inhalte oder Online-Kurse.

Methoden wie der Einsatz von Artificial Intelligence, die von Social-Media-Konzernen wie Facebook, Twitter und Google verstärkt als Werkzeug gegen Verbreitung von Propaganda und Falschnachrichten eingesetzt werden, sollen bei Wikimedia nur vorsichtig eingesetzt werden. So habe sich das Community-Modell, mit dem Wikipedianer bisher Wissen zusammengetragen haben, als eine der Stärken der Wikimedia-Bewegung erwiesen, an der man festzuhalten beabsichtige, heißt es in dem Strategiepapier.

Obwohl es in dem Dokument unerwähnt bleibt, wird wohl Wikipedias Schwesterprojekt Wikidata eine zentrale Rolle bei der Transformation spielen. Die Wissensdatenbank feierte in der vergangen Woche ihren fünften Geburtstag mit einer erfolgreichen Zwischenbilanz: So verfügt die Wissensdatenbank inzwischen über 37 Millionen Einträge, die zum Beispiel zur Anzeige von automatisch aktualisierten Listen oder Infokästen in der Wikipedia genutzt werden.

Darüber hinaus dient das Projekt als zentrale Schnittstelle für viele öffentlich zugängliche Datenbanken wie Museums- oder Bibliothekskataloge, die bisher für sich alleine standen. So wird Wikipedia-Wissen auch an vielen anderen Stellen jenseits der Online-Enzyklopädie sichtbar - wie zum Beispiel in Googles Knowledge Graph, der als Zusatzinfo neben Suchergebnissen angezeigt wird.

In den kommenden Monaten werden sich die Beteiligten des Strategieprozesses beraten, wie sich die Zielvorgaben konkret umsetzen lassen. Ein vorheriger, auf fünf Jahre angelegter Strategieplan unter Geschäftsführerin Sue Gardner war weitgehend gescheitert. Statt die Anzahl der Wikipedia-Autoren wie geplant zu verdoppeln, mussten Wikipedia und Schwesterprojekte zunächst einem Autorenschwund, schließlich sogar mit abnehmenden Leserzahlen kämpfen. Auch die Gründung lokaler Büros zur Unterstützung der Communities in nicht-westlichen Ländern musste aufgegeben werden. Mit einem neuen, nutzerfreundlicheren Editor und Kampagnen zur Mitarbeit konnte die Autorenzahl in vielen Sprachausgaben inzwischen wieder stabilisiert werden. (ad)