Call of Duty WW2 angespielt: Oberflächlicher Klischee-Weltkrieg

Call of Duty: WW 2 spielt wieder im historischen Szenario des Zweiten Weltkriegs. Einen kritischen Umgang mit dem Thema sollten die Spieler aber nicht erwarten, denn auch dieser Serienableger ist das übliche, pathetische Actionspektakel geworden.

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Call of Duty WW2 angespielt: Zurück zu den Wurzeln
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Andreas Müller
Inhaltsverzeichnis

Mit Call of Duty: WW2 wollen Entwickler Sledgehammer Games und Publisher Activision der alten Marke zu neuem Glanz verhelfen. Vorbei sind die Zeiten des "Modern Warfare" – die Serie kehrt zurück zu ihren Ursprüngen.

6. Juni 1944, Omaha Beach, D-Day. Ich stecke mittendrin. Als sich die Klappen der Landungsboote öffnen, pfeifen uns die Kugeln um die Ohren. Blut spritzt. Todesschreie. Chaos. Ich renne mit meinen Kameraden über den Strand. Endlich erreiche ich den feindlichen Bunker und bringe eine Sprengladung an. Nach der ohrenbetäubenden Explosion ist die Gefahr erstmal gebannt und ich kann durchatmen.

So beginnt Call of Duty: WW2. Ich schlüpfe in die Rolle des Soldaten Ronald "Red" Daniels, der mit seiner Einheit die letzte Phase des Zweiten Weltkriegs miterlebt. Von Omaha Beach über die Ardennen bis zur Brücke von Remagen führt mein Schlachtzug. Ich ballere mich in den linearen Abschnitten durch enge Häuserschluchten, klemme mich hinter eine Flak, um deutsche Stukas wie Moorhühner abzuschießen oder jage einen Zug in die Luft. Einmal schlüpfe ich auch in die Rolle eines Panzerfahrers oder spioniere als französische Widerstandskämpferin ein deutsches Hauptquartier aus.

Call of Duty WW2 angespielt (5 Bilder)

In Call of Duty WW2 zielt man mit Kimme und Korn statt Laservisier. (Bild: heise online)

Das alles passiert im gewohnten temporeichen Effektgewitter und liefert genug Abwechslung für die knapp achtstündige Story-Kampagne. Spielerisch herausfordernd ist das selten. Stattdessen sind die Gegner Kanonenfutter, die nur in der Masse für Gefahr sorgen. Praktisch, dass mich meine Kameraden regelmäßig mit Munition oder Medi-Packs versorgen. Auf die automatische Lebensregeneration muss ich diesmal verzichten. Trotzdem fühlt sich dieses Actionspektakel eher wie ein interaktiver Film an als wie ein herausfordernder Shooter. Im direkten Vergleich wirkt Battlefield 1 mit seinen unterschiedlichen Schauplätzen deutlich origineller und spektakulärer. Vom spielerischen Anspruch unterscheiden sich die beiden Konkurrenten dagegen kaum.

Ruhige Zwischentöne sind selten. Ich erfahre, dass dieser Krieg 65 Millionen Tote forderte, rette ein kleines Mädchen vor den Nazis oder durchsuche ein Arbeitslager. Diese Szenen deuten ein wenig die menschliche Tragödie hinter diesem Krieg an, aber zwischen den brachialen Actionszenen verlieren sie doch rasch ihre emotionale Wirkung. Einzelne Momente sind voller Pathos: Wenn mein Anführer vom Pflichtbewusstsein des Soldaten redet, mir mein imaginärer Bruder Mut zuspricht oder sich ein Kamerad für unsere Einheit opfert, bewegt sich die Geschichte am Rande zur Kriegspropaganda.

Die Multiplayer-Fans dürfte die kaum vorhandene moralische Botschaft des Spiels kaum interessieren. Sledgehammer fährt die üblichen Spielmodi auf und garniert sie mit einem motivierenden Levelsystem. Neu ist der Krieg-Modus mit wechselnden Objectives, der an die Operationen in Battlefield 1 erinnert, wenn auch mit wesentlich kleineren Teams. Natürlich darf der unterhaltsame Zombie-Modus nicht fehlen, in dem die Spieler immer stärker werdende Angriffswellen von Untoten abwehren. Ob das alles perfekt ausbalanciert ist, konnte in der Kürze der Zeit nicht ausführlich getestet werden.

Visuell braucht sich Call of Duty nicht vor der Konkurrenz zu verstecken. Shaky-Cam und Blur-Effekte sorgen für ein pseudorealistisches Mittendrin-Gefühl. Dadurch wirkt das Spiel "dreckiger" als die abgehobenen Vorgänger. Dazu passt die erstaunlich direkte Gewaltdarstellung. Zerfetzte Körperteile sind keine Seltenheit. Ähnlich wie Wolfenstein 2 verzichtet das Spiel in Deutschland aus rechtlichen Gründen auf Nazisymbole.

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Ja, und? War’s das schon? Die Story von Call of Duty: WW 2 spielt sich nämlich wie fast alle Teile davor: spektakulär, aber ziemlich oberflächlich. Die Macher scheinen nicht an einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema Zweiter Weltkrieg interessiert zu sein. Stattdessen liefern sie einen großen Abenteuerspielplatz. Temporeich werde ich von einer abwechslungsreichen Mission in die nächste getrieben, aber echte Höhepunkte bleiben nicht im Gedächtnis hängen. Stattdessen präsentiert Sledgehammer in der Story-Kampagne Klischees, die wir schon aus zahlreichen Hollywoodfilmen und Spielen kennen. Anders ausgedrückt: Es knallt und zischt, aber Call of Duty: WW2 ist genauso schnell vergessen, wie man es gespielt hat.

Call of Duty: WW 2 ist am 03.11. für PC, PS4 und Xbox One erschienen und kostet zwischen 50 und 70 Euro. Für unser Angespielt haben wir ein paar Stunden auf der PS4 gespielt. (dahe)