Positionstoleranz

Koalitionsverhandlungen: Grüne machen Zugeständnisse

Bei den Koalitionsverhandlungen zeigen sich die Grünen ausgerechnet beim Thema Klimaschutz flexibel. Das Ende des Verbrennungsmotors und der Kohlausstieg müssten nicht in einem bestimmten Jahr festgeschrieben sein. Dahinter dürfte eine kluge Taktik stecken

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Cem Özdemir 5 Bilder

(Bild: Dominik Butzmann)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Martin Franz
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Die Wahl im Bund ist nun gut anderthalb Monate her, doch die potenziellen Partner kommen nur sehr langsam voran. Dabei haben Koalitionsverhandlungen noch nicht einmal begonnen, derzeit laufen noch immer die Sondierungen. Bei großen Themen wie Integration und Energiepolitik liegen die vier Parteien zum Teil weit auseinander. Bei der Klimapolitik kommen die Grünen den Vorstellungen von Union und FDP nun sehr weit entgegen. Kurz vor Beginn der zweiten Sondierungsphase machte Parteichef Cem Özdemir deutlich, dass die Grünen nicht länger darauf beharren, das Ende des Verbrennungsmotors im Jahr 2030 festzuschreiben. Auch im Tauziehen um die Kohlepolitik signalisiert die Partei Kompromissbereitschaft.

Ende des Verbrenners 2030 nicht durchsetzbar

„Mir ist klar, dass wir alleine nicht das Enddatum 2030 für die Zulassung von fossilen Verbrennungsmotoren durchsetzen werden können“, sagte Özdemir der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten (Ausgaben vom 7. November 2017). Statt des konkreten Datums für den Ausstieg verlangen die Grünen nur noch „ein klares Bekenntnis, dass wir alles dafür tun, um die Fahrzeuge der Zukunft – vernetzt, automatisiert und emissionsfrei – zu bekommen“. Als konkrete Schritte in diese Richtung nannte Özdemir Anreize beim Dienstwagenprivileg, ein Bonus-Malus-System zugunsten von Elektroautos bei der Kraftfahrzeugsteuer und die Erwartung, dass „die Gerichtsurteile zu den Stickoxidemissionen umgesetzt werden, damit wir die Städte sauberer bekommen“. Die Grünen bestanden bislang darauf, ab dem Jahr 2030 keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr neu zuzulassen. Die CSU wiederum will keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem ein Enddatum festgehalten ist. Auch die FDP hält nichts von einem Verbot. Selbst Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte sich zuletzt immer wieder gegen ein fixes Datum ausgesprochen.

Entscheidend ist die CO2-Emissionsminderung

Weiteres Konfliktpotenzial birgt die Kohlepolitik. Die Grünen forderten bisher, die 20 am wenigsten effizienten Kraftwerke sofort abzuschalten und den kompletten Ausstieg bis 2030 zu vollziehen. Aber auch in diesem Punkt kommen nun Signale der Kompromissbereitschaft. „Für uns kommt es nicht darauf an, ob das letzte Kohle-Kraftwerk 2030 oder 2032 vom Netz geht. Da sind wir pragmatisch. Entscheidend ist die CO2-Emissionsminderung“, sagte Parteivorsitzende Simone Peter der Rheinischen Post (Ausgabe vom 7. November 2017). „Uns geht es darum, dass die CO2-Emissionen 2020 um 40 Prozent unter dem Ausstoß von 1990 liegen und dass die Sektorziele für 2030 eingehalten werden, auch mit Blick auf die Paris-Ziele.“

Özdemirs Einlenken ist selbstverständlich nicht allein dem Wunsch zu verdanken, in den Verhandlungen weiterzukommen. Vielmehr dürfte der Vorstoß des Grünen-Politikers nicht zuletzt taktisches Kalkül sein, denn Koalitionsverhandlungen ähneln sich in einer Hinsicht oft: Wer bereit ist, sich in einem seiner zentralen Ziele entscheidend zu bewegen, darf gleiches auch von den Verhandlungspartnern erwarten. Einem erfahrenen Taktiker wie Cem Özdemir darf man zutrauen, dass er sehr genaue Vorstellungen davon hat, was er als Preis für sein Entgegenkommen erwarten kann. Ohne Gegenleistung, soviel dürfte klar sein, gibt die grüne Parteispitze keine zentrale Forderung preis. Die Sondierungen für eine Koalition aus Union, Grünen und FDP gehen an diesem Dienstag (7. November 2017) in die entscheidende Phase. Bis Mitte November wollen die Unterhändler eine Vereinbarung zustande bringen, auf deren Basis dann Ende des Monats, nach einem Parteitag der Grünen am 25. November, Koalitionsverhandlungen beginnen sollen.