Meinungsfreiheit: Unesco rügt rasch zunehmende Internetsperren

Schon 61 Mal haben Regierungen weltweit in diesem Jahr das Internet dichtgemacht, beklagt die Unesco. Das seien dreimal so viele wie im gesamten Jahr 2015. Auch auf privaten Online-Plattformen sei der Informationsfluss nicht immer gesichert.

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Stacheldraht
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Immer mehr Regierungen greifen im Kampf um die Informationshoheit zum drastischen Mittel kompletter Internetsperrungen. Dies hat die Unesco am Montag am Rande der Präsentation ihres Berichts zu weltweiten Trends im Bereich Meinungsfreiheit und Medienentwicklung in Paris bekanntgegeben. 2017 kam es demnach weltweit bisher zu 61 Blockaden des Internets in Form sogenannter Shutdowns, während es im gesamten Jahr 2015 erst 18 gewesen seien. Seit Anfang 2016 seien so insgesamt 116 einschlägige Netzsperren bekannt geworden, die meisten davon in Asien. 54 davon entfielen auf Indien, elf auf Pakistan.

Die Autoren des Berichts, der bislang nur in einer Kurzfassung vorliegt und im Dezember zum Internet Governance Forum (IGF) in Gänze veröffentlicht werden soll, warnen generell vor einer eingeschränkten Informations- und Kommunikationsfreiheit etwa durch Massenüberwachung, die Algorithmus-basierte Gewichtung von Nachrichten etwa in sozialen Netzwerken und der mangelnden Unabhängigkeit von Medien. Immer mehr Zeitungen oder Rundfunksender seien auf staatliche oder wirtschaftliche Unterstützung angewiesen, was ihre Glaubwürdigkeit nicht immer erhöhe.

"Die Kommunikations- und Informationsfreiheit steht in vielen Ländern der Welt unter Druck", weiß Wolfgang Schulz, Vorstandsmitglied der deutschen Unesco-Kommission. Wenn Regierungen zunehmend den Datenfluss überwachten oder blockierten, sei dies "schädlich für die Entwicklung von Gesellschaften". Dazu kämen Probleme mit privaten Internetplattformen wie Facebook und Co. Nicht immer sei dort klar, nach welchen Regeln die Betreiber Inhalte löschten und Nutzer darauf reagieren könnten. Der Inhaber des Unesco-Lehrstuhls für Kommunikations- und Informationsfreiheit in Hamburg betonte: "Hier brauchen wir unbedingt mehr Transparenz und Kooperationsbereitschaft seitens der Unternehmen."

Die Verfasser machen aber auch positive Trends rund um den Informationszugang aus. So sei die Anzahl der Staaten, die Gesetze zur Informationsfreiheit erlassen hätten, von 90 im Jahr 2012 auf 112 im vorigen Jahr gestiegen. Die hier aufholenden Länder befänden sich hauptsächlich in Afrika und im Asien-Pazifik-Raum. Die entsprechenden Vorgaben würden aber weltweit weiterhin oft nicht konsequent umgesetzt.

Positiv bewerten die Autoren auch, dass die 195 Unesco-Mitglieder sich auf ein Konzept für ein universelles Internet geeinigt hätten. Dieses lege fest, dass das Netz "menschenrechtsbasiert, offen und zugänglich sein sowie unter Beteiligung aller betroffenen Akteure geregelt werden muss". Die Netzneutralität sei dafür eine wichtige Voraussetzung. Die umstrittene Praxis des Zero Rating, durch die bestimmte Anwendungen wie spezielle Streaming-Apps nicht auf ein fixes Datenvolumen im Mobilfunk angerechnet werden, lehnen die Experten nicht pauschal ab, da damit mehr Menschen ein Zugang zumindest zu speziellen Informationen eröffnet werden könne. Sie räumen aber ein, dass damit das Prinzip des offenen Internets eingeschränkt werden könnte. (kbe)