Deutsches Stanford in Berlin

Das Buch "Der Club der Nobelpreisträger" vereint Historie, Architektur und Persönlichkeiten der Wissenschaft – und ist damit mehr als das Porträt eines Hauses in Berlin.

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An diesem Buch werden nicht nur Begeisterte von Wissenschaft und Forschung ihre Freude haben. Auch Architektur-Liebhaber und Geschichtsfans wird es gefallen. Mit diesem facettenreichen Porträt des Harnack-Hauses in Berlin-Dahlem erweckt der Autor Michael Kröher die Tagungs- und Begegnungsstätte für Wissenschaftler aus aller Welt, Künstler, Politiker und Industrielle zum Leben.

Im Fokus steht besonders die Zeitspanne von der Gründung 1929 bis zum Ende des zweiten Weltkriegs 1945. Aufgebaut von der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) mit dem Anspruch, ein "deutsches Stanford" zu sein, bietet das Harnack-Haus in den 16 Jahren einen Anlaufpunkt für zahlreiche Nobelpreisträger, wie Otto Hahn, Albert Einstein und natürlich Max Planck, der später auch Präsident des Hauses wird. Was das Porträt über ein eigentlich schlichtes Haus spannend macht, ist vor allem der Hintergrund mit dem Aufstreben der Nationalsozialisten.

Deutlich wird gerade der Balanceakt, den etwa Planck oder andere Leiter von Kaiser-Wilhelm-Instituten (KWI), die sich in unmittelbarer Nachbarschaft befinden, vollführen müssen, um einerseits ihre Forschung mit den besten Wissenschaftlern ungeachtet ihrer Abstammung voranzutreiben und andererseits nicht in Ungnade bei der nationalsozialistischen Regierung zu fallen. Das zeigte sich im Kleinen beispielsweise an den freiwillig auslegten Propaganda-Zeitschriften wie der „Völkische Beobachter“, was Autor Kröher als Schachzug enttarnt, um NS-Hardliner gegenüber der im Kern immer noch bürgerlich-liberalen KWG milde zu stimmen.

Größere Einflüsse und die Machtlosigkeit vom Präsidenten Planck werden sichtbar am Fall des Chemie-Nobelpreisträgers Fritz Haber. Aufgrund seiner jüdischen Eltern gerät der Direktor des KWI für Physikalische Chemie 1933 ins Visier des NS-Regimes. Er wird gezwungen Mitarbeiter jüdischer Abstammung zu entlassen. Das widerspricht der Überzeugung des Wissenschaftlers Haber, dem es einzig um die fachlichen Kenntnisse geht. Er kündigt selbst.

Weitere Mitarbeiter gehen und Planck erkennt den Verlust für die KWG durch diese Veränderungen. Vom Erziehungs- und Wissenschaftsminister Bernhard Russt berufen tritt der Göttinger Professor Gerhart Jander Habers Nachfolge an. Nach Plancks Meinung qualifiziert dieser sich ausschließlich politisch, nicht akademisch. Doch Planck kann nichts dagegen tun. Es ist der Anfang der Unterwanderung.

Damit ist das Harnack-Haus für Episoden wie diese den Kristallisationspunkt. Kröhers Buch destilliert das und bringt so Forscherbiografien, wissenschaftliche Leistungen und Geschichte gut recherchiert zusammen.

Michael Kröher: Der Club der Nobelpreisträger, Knaus Verlag, 320 Seiten, 20 Euro (E-Book: 16,99 Euro)

(jle)