Biologen fürchten Trump

An vorderster Front der biologischen Forschung gibt es Fortschritte in schneller Folge. Unter US-Wissenschaftlern herrscht deshalb die Sorge, dass die Politik auf sie aufmerksam werden und eingreifen könnte.

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Von
  • Emily Mullin
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Über Forschung in Bereichen wie Stammzellen, menschliche Embryos oder Gen-Editierung hat sich der neue US-Präsident noch nicht geäußert. Trotzdem leben Biologen in ständiger Angst vor einem aufwieglerischen Tweet oder der plötzlichen Verkündung von Maßnahmen zur Beschränkung ihrer Arbeit. Denn in den ersten zehn Monaten von Trumps Amtszeit gab es reichlich Fortschritte bei sensiblen Technologien aus ihrem Fachgebiet.

Allein in diesem Jahr haben Forscher in den USA eine funktionierende künstliche Gebärmutter gezeigt, mit Hilfe von CRISPR einen Gen-Defekt bei menschlichen Embryos korrigiert, an synthetischen Embryos gearbeitet und eine In-vitro-Befruchtungsmethode weiterentwickelt, bei der DNA von drei biologischen Eltern verwendet wird.

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"Trump hat uns bislang nicht beachtet. Es wäre nicht gut, wenn er uns beachten würde", sagte der Stammzell-Forscher Gerald Schatten in diesem Oktober bei einer Konferenz von 130 Fertilitätsexperten aus 30 Ländern im New Yorker Plaza Hotel.

Die Forscher befürchten, jeder Fortschritt könnte die Trump-Regierung dazu veranlassen, der Wissenschaft Schranken aufzuerlegen. Schon Präsident George W. Bush hatte im Jahr 2001 die Bundesfinanzierung für Stammzell-Forschung begrenzt.

"Es gibt Präzedenzfälle dafür", sagt Gretchen Goldman, Forschungsleiterin beim Center for Science and Democracy der nicht-kommerziellen Union of Concerned Scientists. "Wir hören von den Leuten, dass sie wissen, wie politisch kontrovers ihre Arbeit ist."

Weiter beunruhigend für die Wissenschaftler ist, dass Trumps Ansichten über die vordersten Fronten in der Biologie schlicht nicht bekannt sind. In keinem der bislang gut 30.000 Tweets des Präsidenten schreibt er von DNA, Stammzellen oder Gen-Editierung, geht aus Daten des Trump Twitter Archive hervor. Auch im Kongress hat es seit Juni 2015 keine Sitzung mehr zu diesen Themen gegeben.

"Präsident Trump scheint keine festen Überzeugungen darüber zu haben, aber es ist klar, dass er ein Kabinett aus Personen zusammengestellt hat, die von den Aussichten auf solche Forschung nicht unbedingt begeistert sind", sagt Ryan Hagemann, Leiter für Technologiepolitik bei dem libertären Think-Tank Niskanen Center in Washington, D.C.

Die politische Atmosphäre sorgt dafür, dass selbst Wissenschaftler, die sich öffentlich für neue Technologien eingesetzt haben, Ärger befürchten. Jennifer Doudna, eine der Entdeckerinnen von CRISPR, etwa sagt, dass sich die schnellen Fortschritte beim Editieren von Genen als kontraproduktiv erweisen könnten, wenn sie auf die falsche Weise die Aufmerksamkeit von Politikern wecken.

Gen-Editiermethoden - eine kleiner Einblick (6 Bilder)

Das System aus CRISPR (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) und der Cas9-Nuklease haben die Molekularbiologinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier 2012 entdeckt. Dank seiner einfachen Handhabe und geringer Kosten erlebt die Gentherapie derzeit ein Revival.
(Bild: Text: Inge Wünnenberg; Grafik: Brian Sipple)

"Mein kurzfristiges Worst-Case-Szenario ist, dass irgendjemand irgendwo irgendetwas mit CRISPR macht, das gefährlich ist oder das zumindest als gefährlich oder unverantwortlich wahrgenommen wird, so dass es eine große öffentliche Gegenbewegung gibt", sagte Doudna im Oktober bei einem Treffen von Wissenschaftsjournalisten in San Francisco.

"Sagen wir, morgen würde jemand ein CRISPR-Baby ankündigen – wie würde das im aktuellen Klima in den USA aufgenommen? Ich fürchte, es würde viele Leute dazu bringen, ihren Abgeordneten anzurufen und zu sagen, 'Was ist dieses CRISPR? Sie müssen das verbieten.'"

Nach zehn Monaten im Amt hat Trump noch keinen wissenschaftlichen Berater berufen. Noch nie hat sich irgendein anderer moderner Präsident damit so viel Zeit gelassen, wie die Washington Post anmerkt.

Ohne Beratung durch Experten verhält sich die Regierung in einer Weise, die viele als wissenschaftsfeindlich ansehen. So wurde mit Scott Pruitt ein Mann zum Leiter der Environmental Protection Agency berufen, der den menschengemachten Klimawandel in Frage stellt. Trump selbst hat auf Twitter geschrieben, die globale Erwärmung sei ein "Schwindel".

Zuletzt ist die Regierung in die Richtung gegangen, Embryos als menschliche Wesen mit gesetzlichen Rechten zu definieren. Dies könnte die Forschung an Unfruchtbarkeit, Fehlgeburten und der Entstehung von Erbkrankheiten in menschlichen Embryos einschränken.

Dahingehende Formulierungen finden sich im Entwurf für eine Strategie, den das Department of Health and Human Services im Oktober veröffentlichte. Darin wurde ein Satz geändert – von "Amerikanern in jedem Lebensalter" zu "Amerikaner in jedem Lebensalter, ab der Zeugung". Ähnlich stellten die Republikaner Anfang November ein Steuergesetz mit 429 Seiten vor. Eltern könnten ein steuerbegünstigtes Ausbildungssparkonto für ein Kind "in utero" einrichten, heißt es darin.

(sma)