Die Neuerungen von Linux 4.15

Mit einem neuen Ansatz versucht das jetzt erhältliche Linux 4.15 ein altbekanntes Stromsparproblem aus der Welt zu schaffen. Der neue Kernel verbessert den Support für AMDs aktuelle Grafikchips. Schutz vor Meltdown und Spectre ist auch dabei.

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Linux-Kernel 4.15
Lesezeit: 57 Min.
Von
  • Thorsten Leemhuis
Inhaltsverzeichnis

Linus Torvalds hat den Linux-Kernel 4.15 freigegeben – nicht wie sonst nach neun oder zehn Entwicklungswochen, sondern erst nach elf. Hauptschuld daran tragen die Sicherheitslücken Meltdown und Spectre, denn zwischen Mitte Dezember und Mitte Januar haben die Kernel-Entwickler mit PTI und Retpoline noch schnell zwei Gegenmaßnahmen integriert, um das Gefahrenpotenzial zu senken. Die neue Linux-Version wartet darüber hinaus aber noch mit zahlreichen anderen Neuerungen auf. Die wichtigsten im Kurzüberblick, bevor der Text auf den folgenden Seiten in die Details geht:

  • Durch eine größere Erweiterung des Treibers Amdgpu unterstützt dieser AMDs Vega-Grafikkarten nicht mehr nur rudimentär, sondern ordentlich. Darüber hinaus funktionieren mit vielen Vega-Vorgängern (etwa Radeon-Karten der 400er oder 500er-Serie) jetzt einige Features, die zur Ansteuerung moderner Monitore wichtig sind.
  • Der neue Kernel geht ein altbekanntes Problem neu an, durch das viele mit SATA-Datenträgern bestückte Linux-PCs unnötig Strom verbrauchen. Damit versucht der zuständige Entwickler, die Akkulaufzeit von Notebooks spürbar zu verlängern.
  • Über Dateien im Sysfs kann man nachsehen, ob der Prozessor gegen Meltdown und Spectre anfällig ist und was der Kernel dagegen tut.

Linux 4.15 enthält noch keinen Schutz gegen die erste Spectre-Variante. Zum Schutz vor der zweiten braucht es Hilfe vom Compiler, die diesem Kernel-Image fehlt.
  • Zum Schutz vor Meltdown haben die Kernel-Entwickler die Page Table Isolation (PTI) geschaffen. Einige ältere Linux-Versionen erhielten eine ältere Variante der Schutztechnik; damit ausgestattete Kernel können den mit PTI einhergehenden Performance-Verlust aber schlechter ausgleichen.
  • Linux 4.15 enthält noch keinen Schutz gegen die erste der beiden Spectre-Varianten: Patches, die diese Lücke abdichten, soll erst 4.16 liefern.
  • Gegen die zweite Spectre-Variante bringt Linux eine "Return Trampoline" (Retpoline) genannte Technik mit. Volle Kraft entfaltet sie allerdings erst mit Compiler-Patches, die vielen Distributionen noch fehlen. Vollständig ist der Schutz noch nicht: Es stehen Änderungen zur Diskussion, durch die der Kernel die Spectre-v2-Schutzmaßnahmen besser nutzen kann, die Intel mit neuem Microcode nachrüstet.
  • Linux unterstützt jetzt auch die offene Prozessor-Architektur RISC-V
Das Kernel-Log
  • Die Entwickler haben den Support für AMDs Speicherverschlüsselung verbessert; richtig komplett wird das Ganze aber wahrscheinlich erst mit Linux 4.16.
  • Die Entwickler haben endlich ein moderneres Interface geschaffen, um den Verbrauch von Prozessorzeit zu regeln. Das ist für Virtualisierung und Container wichtig.
  • Über Kernel Live Patching lassen sich Sicherheitslücken jetzt auch zur Laufzeit beheben, wenn das Änderungen an Datenstrukturen erfordert.
  • XFS erhält eine vorerst noch nicht nutzbare Funktion, um das Dateisystem parallel zur normalen Verwendung auch prüfen und nötigenfalls reparieren zu können.
  • Der Linux-Kernel 4.15 kann Systeme per Thunderbolt vernetzen. Eine Änderung an Interna des Netzwerksubsystems verspricht ferner ein Performance-Problem zu beseitigen, das mit besonders schneller Netzwerk-Hardware auftritt.
  • Unter den Änderungen an Grafiktreibern waren mehrere Verbesserungen zur Ansteuerung von VR-Brillen. Ferner ist jetzt ein Treiber für einen beliebten Raspberry-Pi-Touchscreen dabei. Der Support für den Grafikkern neuerer Intel-Prozessoren gilt nun endlich als alltagstauglich.
  • Wie jede neue Kernel-Version bringt auch Linux 4.15 zahlreiche neue und verbesserte Treiber, die die Hardware-Unterstützung verbessern. Neu sind etwa einige Hardware-Monitoring- und Audio-Treiber für AMD-Prozessoren. Intels WLAN-Treiber unterstützt jetzt auch die WLAN-Chips, die in einigen der neuesten Notebooks stecken. Das Open Sound System (OSS), auf das Audio-Treiber früher aufgebaut haben, haben die Kernel-Entwickler indes entfernt.
  • In einer zur Dokumentation gestoßenen Stellungnahme sprechen sich einige Kernel-Entwickler deutlich gegen proprietäre Treiber aus.

Die folgenden Seiten liefern Details zu diesen und zahlreichen weiteren Neuerungen von Linux 4.15. Die letzte Seite des Artikels enthält zudem einen kleinen Ausblick auf die Änderungen, die 4.16 bringen dürfte.