Immunsystem scharf gemacht

Die USA preschen mit zwei Gentherapien gegen Tumore voran. Selbst in ausweglosen Fällen haben sie bereits Leben gerettet, sind aber auch extrem riskant. Europa wartet daher auf mehr Sicherheit.

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Von
  • Susanne Donner

Dieser Artikel-Ausschnitt ist der aktuellen Print-Ausgabe der Technology Review entnommen. Das SPECIAL-Heft ist ab 7.12.2017 im gut sortierten Zeitschriftenhandel und im heise shop erhältlich.

Es war ein Durchmarsch, den es so wohl nur in den USA geben kann. Gewöhnlich braucht es jahrzehntelange Forschung und dann ordnerweise Studien, bis ein vollkommen neuer medizinischer Ansatz in die klinische Praxis gelangt. Novartis aber musste im Wesentlichen nur eine Studie an 88 Kindern und jungen Erwachsenen vorlegen, um im August 2017 die Zulassung für Kymriah zu bekommen, die weltweit erste Gentherapie gegen Krebs. Im Oktober folgte das US-Unternehmen Kite Pharma, ebenfalls mit einer Gentherapie gegen Tumore.

Die Vorarbeiten für die revolutionäre Therapie begannen im Jahr 2010. Damals gelang es den Forschern Carl June und Steven Rosenberg vom National Cancer Institute in den USA, T-Zellen aus dem menschlichen Immunsystem so zu verändern, dass sie Krebszellen klein häckseln – und zwar hocheffizient. „Das ist mit Abstand die potenteste Waffe gegen Krebs, die wir je hatten“, sagt Jürgen Krauss, Leiter der Sektion für Klinische Immuntherapie am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg.

Wie gut die Abrichtung des körpereigenen Immunsystems auf Krebs funktioniert, zeigten die Daten der Novartis-Studie. Bei 40 der 88 Patienten mit einer speziellen Form des Blutkrebses, der Akuten Lymphatischen Leukämie, verschwand der Tumor zunächst ganz. Dieser Zustand bestand bei 29 der Patienten sogar dauerhaft fort. Ähnlich überzeugend waren die Ergebnisse der Tests von Kite Pharma: Von den 111 Patienten mit einem Lymphom war bei 39 Prozent die Geschwulst nach durchschnittlich neun Monaten nicht mehr zu sehen. Sie waren zu diesem Zeitpunkt geheilt.

Diese Erfolgsquoten klingen zunächst einmal gar nicht so berauschend, doch sie beziehen sich auf Patienten, für die es ansonsten gar keine Heilungschance mehr gegeben hätte. „Wir haben nie zuvor derartige Durchbrüche gesehen“, sagt deshalb Christoph Huber, ein mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichneter Immunologe, der an der Entwicklung der sogenannten CAR-T-Zelltherapie beteiligt war. „Das lässt uns erahnen, was wir noch zu erwarten haben.“

(sma)