Verdächtige USB-Sticks mit "2 Terabyte" bei Amazon: Fälschungen entlarven, Datenverluste vermeiden

Obwohl die Betrugsmasche mit vermeintlichen 2-TByte-USB-Sticks für unter 50 Euro seit Jahren bekannt ist, kann man solche Sticks bei Amazon bestellen.

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Vermutlich gefälschte USB-Sticks mit vermeintlichen 2 TByte

Vermutlich gefälschte USB-Sticks mit vermeintlichen 2 TByte von Amazon Marketplace

(Bild: Amazon)

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Amazon tut weiterhin zu wenig, um Käufer vor Nepp zu schützen: Derzeit kann man auf dem Amazon Marketplace für weniger als 40 Euro kompakte USB-Sticks mit angeblich 2 TByte Speicherkapazität kaufen. Wir haben heute mindestens sechs solcher "2TB"-Speicherstifte auf Amazon.de gefunden, die Händler mit Sitz in Großbritannien und Honkong via Amazon Marketplace offerieren.

Doch schon einfache Überlegungen machen klar, dass es sich bei solchen USB-Flash-Speichern mit hoher Wahrscheinlichkeit um Fälschungen handelt: Der bisher einzige echte 2-TByte-Stick Kingston DataTraveler Ultimate GT 2TB (DTUGT/2TB) kostet mehr als 1300 Euro, wiegt 60 Gramm und ist relativ groß. Letzteres ist nötig, weil sonst nicht ausreichend viele NAND-Flash-Chips für 2 Terabyte Kapazität hineinpassen würden. Und schon die billigsten SATA-SSDs mit 2 TByte kosten mindestens knapp 500 Euro, die bisher "größte" MicroSD-Karte mit 400 GByte rund 200 Euro.

Es ist also nach unserem Wissen nach derzeitigem Stand der Technik weiterhin unmöglich, 2 TByte Flash-Speicher in einen winzigen USB-Stick zu quetschen und gewinnbringend für 40 Euro zu verkaufen. Das haben auch Tests solcher Produkte vom chinesischen Online-Händler AliExpress im c't-Labor vor mehr als zwei Jahren ergeben. Wir haben jedenfalls heute einen der angeblichen "2TB"-Sticks via Amazon bestellt und werden ihn prüfen.

H2testw prüft einen vermeintlichen "2TB"-Stick

Die Windows-Software H2testw entlarvt solche Fälschungen, die Prüfung dauert aber lange: Wohl nicht ohne Hintergedanken sind viele der gefälschten USB-Sticks mit USB-2.0-Controllern bestückt und schreiben extrem langsam. Die Datentransferrate beim Schreiben liegt oft nur bei wenigen MByte/s, daher dauert das vollständige Beschreiben stundenlang.

Typisch ist auch das Dateisystem FAT32: Damit lässt sich durch manipulierte Firmware des USB-Flash-Controllers leicht eine höhere Kapazität vorgaukeln, als tatsächlich vorhanden ist. Seinerzeit waren durchweg nur 8 GByte Flash-Speicher eingebaut, also weniger als 1 Prozent der beworbenen Kapazität. Möglicherweise sind in jüngeren Fälschungen 16 GByte vorhanden; ein "echter" USB-2.0-Stick mit 16 GByte kostet 5 bis 6 Euro.

Jedenfalls droht bei den gefälschten Sticks Datenverlust, sobald man mehr als die physisch vorhandene Kapazität schreibt: Der Controller überschreibt dann schlichtweg bereits geschriebene Blöcke. Es lassen sich daher scheinbar tatsächlich 2 TByte auf einen solchen Stick schreiben, aber nur ein Bruchteil davon auch wieder lesen. H2testw prüft daher, ob sich geschriebene Daten auch wieder lesen lassen.

Hardware-Produktfälschungen (7 Bilder)

USB-Sticks aus dem Jahr 2008

Ende 2007 und 2008 tauchten massenweise gefälschte USB-Sticks auf - und nicht zum ersten Mal.

Gefälschte USB-Sticks sind seit Jahren im Umlauf, das Problem ist altbekannt. Auch bei (Micro-)SD-Karten gibt es viele Fälschungen. Es ist deshalb ratsam, klar spezifizierte Produkte – etwa mit eindeutigem Datenblatt auf der Hersteller-Webseite – bei vertrauenswürdigen Händlern zu kaufen.

Unseriöse Anbieter verkaufen über Amazon immer wieder Fälschungen, im Juli waren es etwa Ryzen-Prozessoren, später Speichermodule.

Mancher Amazon-Kunde ist allerdings auch mit dem Konzept des Amazon Marketplace nicht vertraut: Dort schließt man einen Kaufvertrag nicht etwa mit Amazon, sondern mit einem anderen Händler, möglicherweise im Ausland. Man hat es also mit einem Vertragspartner zu tun, der nicht dem deutschen oder europäischen Handelsrecht unterworfen ist. Das kann bei Reklamationen zu Problemen führen und gilt auch, wenn Amazon die Lieferung übernimmt.

Die Darstellung der Amazon-Offerten macht es weniger aufmerksamen Betrachter zusätzlich schwer, zwischen Angeboten von Amazon selbst und vom "Amazon-Marktplatz" zu unterscheiden. Die mit hoher Wahrscheinlichkeit gefälschten "2TB"-Sticks tauchen etwa auch auf anderen Produktseiten auf in der Rubrik "Kunden, die diesen Artikel angesehen haben, haben auch angesehen".

Manche der aktuell verkauften "2TB"-Sticks ähneln Fälschungen aus dem Jahr 2015.

Amazon sieht sich beim Marketplace ausschließlich in der Rolle eines Logistik-Dienstleisters. Es wäre im Interesse der Käufer wünschenswert, wenn Amazon genauer auf das Geschäftsgebaren seiner Marketplace-Händler achtet. Es ist schwer verständlich, weshalb anscheinend sogar einfache Plausibilitätsprüfungen unterbleiben.

Amazon wird immer wieder auch von Markenherstellern für unzureichenden Schutz vor Nachahmern kritisiert, erst vor wenigen Tagen etwa von Birkenstock. (ciw)