Eisbergsalat frisch aus der Arktis

Im hohen Norden Amerikas wird mit allen Tricks gesundes Gemüse gezogen.

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Von
  • Thomas Reintjes
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Dillingham liegt im Südwesten Alaskas und ist ziemlich isoliert: Über Straßen ist das 2500-Seelen-Städtchen überhaupt nicht zu erreichen. "Mehrmals pro Woche fliegt eine Propeller-Frachtmaschine den Ort an", sagt Kyle Belleque, "und im Frühling, Sommer und Herbst, wenn die Bucht nicht voller Eis ist, kommen auch Frachtkähne."

Der Farmer ist im abgeschiedenen Alaska aufgewachsen und schätzt die Kultur dort: "Hier herrscht große Unabhängigkeit. Es wird von dir erwartet, dass du für dich selbst sorgst und dich nicht darauf verlässt, dass andere sich um dich kümmern." Und er nimmt das ernst. Seit etwa anderthalb Jahren sind er und seine Familie etwas weniger abhängig von den teuren Lebensmitteln, die per Schiff und Flugzeug über Tausende Kilometer herangeschafft werden. Zumindest Salat und Kräuter ziehen die Belleques seitdem selbst – sogar mitten im Winter, wenn auf ihren Feldern draußen nichts wächst.

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Denn den Belleques gehört einer der ersten für den Einsatz im Norden umgebauten Kühlcontainer. Nun hält die Isolierung die Kälte draußen und die Wärme drinnen. In der kleinen Indoorfarm wächst bei LED-Licht Salat in Hydrokultur. Das US-Unternehmen Vertical Harvest Hydroponics und die kanadische Firma Growcer entwickeln und vertreiben die Containergewächshäuser gemeinsam. Ein halbes Dutzend der Indoorsysteme sind bereits in Betrieb. Sie sollen abgelegene Orte im Norden Kanadas und der Vereinigten Staaten mit Grünzeug versorgen, das frischer und billiger ist als das, was bisher dort angeboten wird.

Hydrokulturen in Containerfarmen hat es zwar schon vorher gegeben, der extreme Standort in Alaska stellte die Entwickler jedoch vor besondere Herausforderungen. "Ein Beispiel: Wenn man feuchte Luft in minus 50 Grad kalte Luft rausbläst, frieren die Lüftungsschlitze ziemlich schnell zu", berichtet Corey Ellis, Mitgründer und CEO von Growcer.

Das extreme Klima verlangte von den Ingenieuren zudem, die Container äußerst wetterfest und robust zu machen. Schneestürme mit Windgeschwindigkeiten von 120 km/h könnten die Farbe von Gebäuden schmirgeln, sagt Ellis, "aber unsere Systeme sollen weiter so funktionieren, als wäre es 20 Grad und sonnig". Gleichzeitig müssen die Container energieeffizient sein, weil Strom in entlegenen Gegenden bis zu einem Dollar pro Kilowattstunde kosten kann.

Bei Kyle Belleque funktioniert das Konzept: 350 bis 400 Salatköpfe pro Woche könne er produzieren, erzählt er. Seine Familie sei begeistert, Kunden können die Produkte der kleinen Belleque-Farm montags und donnerstags nachmittags erwerben, wenn für jeweils anderthalb Stunden der Verkauf geöffnet ist. Dann gibt es verschiedene Sorten Grünkohl und Pak Choi, Basilikum und Rucola – und manchmal auch Eisbergsalat.

Noch schöpft Belleque die Kapazität seines Containers aber nicht restlos aus. Denn er hat Schwierigkeiten, genug Einwohner für seine frischen Produkte zu begeistern. "Die Leute sind darauf programmiert, Junk Food zu essen", sagt er. "Eine ganze Generation weiß gar nicht mehr, was 'frisch' heißt." Außerdem sei es natürlich ein völlig neues Konzept, im Januar frischen Salat anzubieten. Immerhin verkauft er seinen Salat an die Schule und züchtet sich vielleicht so eine neue Kundengeneration heran.

(bsc)