Wenn ein Roboter neue Zähne einsetzt

In China bekommen Zahnärzte künftig Konkurrenz von digitalen Automaten.

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Von
  • Lea Deuber

Einmal bitte öffnen, sagt Onkel Jiang und steckt die kleine Metallzange in den Mund des zehnjährigen Jungen. Zwischen Haustür, Küche und dem Untersuchungsstuhl sind nur wenige Schritte Platz. Dieser steht gleichzeitig in Flur und Schlafzimmer.

Es ist eng, das medizinische Besteck liegt neben einer halb geschälten Orange und der Plastikschale, aus der Jiang gerade noch sein Mittagessen gegessen hat. Onkel Jiang, wie er im Dorf genannt wird, sei ein guter Arzt, sagt die Mutter des Jungen. Sie wird ihm später umgerechnet ein paar Euro in die Hand drücken. Gleichzeitig ist Jiang aber einer der wenigen Mediziner überhaupt in der Region nahe der Stadt Jixi im Norden Chinas. Das nächste Krankenhaus liegt 50 Kilometer entfernt. Ist der 60-jährige Arzt selbst krank, müssen seine Patienten warten. Größere Eingriffe sind in dem kleinen Zimmer ohnehin nicht möglich.

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Der Mangel an Ärzten ist groß. Ein Durchbruch für das medizinische System Chinas könnte daher der erste erfolgreiche Einsatz eines Roboters in Xi'an in der zentralchinesischen Provinz Shaanxi sein: Die Maschine hat diesen Herbst eine Operation ohne Unterstützung eines Arztes durchgeführt. Der Roboter setzte in einem einstündigen Eingriff zwei künstliche Zähne bei einer Frau ein, wie die chinesische Wissenschaftszeitung "Science and Technology Daily" berichtete.

Entwickelt wurde der Roboter in Xi'an in einer vierjährigen Kooperation zwischen dem medizinischen Institut der örtlichen Fourth Military Medical University und dem staatlichen Robotik-Institut an der Beihang University in Peking. Laut einer Studie brauchen mehr als 400 Millionen Patienten in China zum Teil neue Zähne. Aber lediglich eine Million Implantate werden pro Jahr eingesetzt. Zusätzlich kommt es aufgrund einer schlechten Ausbildung häufig zu Fehlbehandlungen, die wiederum weitere Beschwerden nach sich ziehen. Genaue Pläne, wann Roboter den Job von Jiang und seinen Kollegen übernehmen können, gibt es zwar noch nicht. China arbeitet aber mit Hochdruck daran.

Ganz ohne Ärzte konnte der Eingriff in Xi'an jedoch nicht ablaufen – und das wird er wohl so schnell auch in Zukunft nicht. Zwei Mediziner mussten den Roboterarm in Position bringen, die Voreinstellungen wie den Winkel und die Tiefe der Bohrungen festlegen und schließlich die Operation überwachen. Während des Eingriffs sei der Roboter aber in der Lage gewesen, auf die Bewegungen der Patientin zu reagieren und die Schritte entsprechend anzupassen. Das Ergebnis soll sich den Ärzten zufolge in der üblichen Fehlerspanne von 0,2 bis 0,3 mm bewegen.

Auch in anderen Ländern gibt es Versuche, mithilfe von Maschinen die Zahnbehandlung zu verbessern. Im März 2017 hatte die amerikanische Food and Drug Administration das Robotersystem Yomi zugelassen. Das Gerät der Firma Neocis aus Miami kann Ärzten bei Operationen assistieren. Eigenständige Eingriffe sind bisher nicht erlaubt. In den USA erhalten jährlich vier Millionen Menschen einen Zahnersatz. Experten schätzen, dass bis 2021 weltweit der Markt für chirurgische Robotik auf 20 Milliarden Dollar anwachsen könnte.

(bsc)