China-Handys: Hürden beim Kauf erkennen und überwinden

High-End-Geräte für wenig Geld – das Angebot von China-Handys ist verlockend. Aber wo ist der Haken? Der Kauf ist mit einem höheren Risiko verbunden. c't erklärt, was es zu beachten gilt.

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China-Handys: Hürden beim Kauf erkennen und überwinden
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Inhaltsverzeichnis

Sie haben im Internet ein supergünstiges neues Handy aus China entdeckt? Informieren Sie sich besser vorab über mögliche Schwierigkeiten beim Import solcher Angebote! Leicht entpuppt sich das vermeintliche Schnäppchen von exotischen chinesischen Herstellern nämlich als Fehlkauf. Wenn Sie jedoch bereit sind, etwas Aufwand in die Auswahl von Gerät und Händler sowie die Anpassung der Software zu stecken, bekommen Sie viel Leistung für sehr wenig Geld. Denn technisch stehen die Geräte aus China ihren Pendants von bekannteren Herstellern in kaum etwas nach.

Immer mehr unbekannte Hersteller wie Xiaomi, Elephone, LeEco, Meizu, Ulefone oder Vernee drängen mit günstigen Smartphones auf den deutschen Markt. Sie bieten Handys für deutlich unter 200 Euro mit USB-C-Anschluss, Fingerabdruckscanner, Full-HD-Display und üppigem Speicher an. Da fragt man sich zurecht, wie bei dieser Ausstattung ein so niedriger Preis zustande kommt. Die Antwort ist simpel: Die Hersteller vermeiden Kosten, sparen aber nicht an Bauteilen. Sie konzentrieren sich auf wenige Märkte und betreiben selbst dort nur eingeschränktes Marketing.

Die Ausstattung der China-Handys ist in jeder Preisklasse üppig. Ein Fingerabdrucksensor ist schon ab etwa 100 Euro dabei.

Bei den Billig-Smartphones ist das Ziel, möglichst sichtbar bei den Schnäppchen der großen Händler aufzutauchen, da die Kunden im unteren Preissegment kaum nach Marken kaufen. Außerdem halten sie die Anzahl der Zwischenstufen bis zum Käufer möglichst gering. Die Smartphone-Entwicklung und -Fertigung findet zum großen Teil in China statt, weshalb lange Transportwege entfallen. Auch der Vertrieb wird aus China organisiert, sodass Büros im Ausland nur selten notwendig sind. Die Logistik wird überwiegend von Händlern wie Amazon übernommen. Auch eBay ist ein beliebter Anlaufpunkt für zahlreiche Versender, die aus Hongkong oder dem direkt anschließenden Shenzhen heraus agieren.

Die Hersteller verschaffen sich aber auch mit unlauteren Methoden Vorteile gegenüber der Konkurrenz. Beim Versand aus Deutschland oder dem EU-Ausland nutzen sie Lücken, um die Umsatzsteuer des jeweiligen Empfängerlandes zu umgehen. Amazon, eBay & Co. kümmern die Masche wenig, sie sehen sich als Dienstleister. Auch beim Direktversand aus China wird getrickst: Eine Einfuhrumsatzsteuer wird bei allen Importen erst ab 22 Euro (inklusive Versandkosten) fällig. Also deklarieren viele Versender ihre Ware mit niedrigeren Werten oder als Geschenk und hoffen, vom Zoll verschont zu bleiben.

Man sollte nicht davon ausgehen, dass solche Pakete immer klaglos durchgehen. Nach Einrechnen der Nebenkosten entpuppt sich ein vermeintliches Schnäppchen möglicherweise als teure Angelegenheit. Ein richtiges Problem hat man, wenn der Zoll das Paket öffnet und auf dem Gerät das CE-Zeichen fehlt. Dann darf die Ware nicht eingeführt werden und wird entweder zurückgeschickt oder vernichtet – die Kosten dafür trägt in der Regel der Kunde.

Ein weiterer Faktor für die niedrigen Preisen der China-Smartphones ist der ruinöse Kampf um Marktanteile auf dem Heimatmarkt. Laut Xiaomis ehemaligem Vizepräsidenten Hugo Barra verdienen die Firmen nichts am Verkauf der Geräte, sie möchten vielmehr die Nutzer ins eigene Ökosystem holen und damit langfristig Geld verdienen. Außerdem kommen die attraktivsten Modelle im Ausland regulär gar nicht auf den Markt. Das erspart dem Hersteller Anpassungen der Software, Varianten für verschiedene LTE-Frequenzbereiche, kostspielige Zertifizierungen, aufwendige Logistik und den Support in anderen Sprachen.

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Zahlreiche internationale Händler im Netz wie cect-shop.com, trading shenzhen.com oder honorbuy.com haben sich auf China-Smartphones spezialisiert. Aber worauf sollte ich beim Händler achten? Schauen Sie nach, wie der Händler bewertet ist und wo sich der Sitz befindet. Ist er in Deutschland oder zumindest der EU angesiedelt, braucht man sich nicht um Einfuhrumsatzsteuer und Zollkontrollen kümmern. Wenn ein Defekt auftritt, muss sich der Verkäufer an das Gewährleistungsrecht halten, also kostenlos reparieren oder Ersatz liefern.

Händler mit Sitz in China bieten allerdings mehr Auswahl zu noch niedrigeren Preisen. Achten Sie bei diesen Händlern darauf, dass sie ausdrücklich deutsche Kunden ansprechen (z.B. durch eine .de-Domain oder eine deutsche Rufnummer). Ist dies der Fall, gilt theoretisch ebenfalls das Gewährleistungsrecht. Wenn sich der Verkäufer in der Praxis aber querstellt, hat man kaum eine Chance, Ansprüche durchzusetzen. Ist ein Gerät defekt, muss es der Kunde fast immer auf eigene Kosten zurück nach China senden. Will man nicht unverhältnismäßig viel Geld für den Expressversand ausgeben, dauert die Prozedur meist mehrere Wochen.

Ob ein Händler aus China oder Zwischenlagern in der EU versendet, erkennt man in China-Shops wie GearBest oder TinyDeal auf den Produktseiten: Oft kann man zwischen "HK Warehouse" (also Hongkong) und "EU Warehouse" wählen. Auf Amazon.de erkennt man den EU-Versand anhand "Verkauf durch XYZ, Versand durch Amazon", auf eBay anhand des Artikelstandorts. Kommt das Paket aus China und liegt der Warenwert über 22 Euro, muss man 19 Prozent Einfuhrumsatzsteuer bezahlen. Diesen Betrag kassiert entweder der Zoll oder der Paketdienst. Wird das Paket aus der EU verschickt, sind keine Zölle und Steuern fällig, Pakete von Amazon.de kann man zudem innerhalb 30 Tagen zurückschicken, wenn sie "ungebraucht und unbeschädigt" sind.

Die asiatischen Android-Firmwares kommen mit nur wenigen europäischen Sprachen.

Bei Smartphones mit internationalem Android ist die Einstellung der Sprache ein Kinderspiel. Oft ist Englisch ausgewählt und Deutsch schnell zu finden. Bei chinesischen Geräten sieht das anders aus: Meist muss man sich für die Installation eines Sprachpakets Apps vom Hersteller oder windigen Seiten besorgen. Beim Entziffern chinesischer Hinweise oder Fehlermeldungen mag ein zweites Handy mit dem Google Translator helfen.

Darüber hinaus ist bei einigen Geräten die Installation von adb – der Android Debug Bridge, ein Teil von Googles offizieller und kostenloser Entwicklungsumgebung für Android-Geräte unter Windows, Mac OS und Linux – erforderlich. Zusätzlich benötigt man unter Windows passende USB-Treiber. Gleiches gilt für die Installation von Google Play (s.u.).

Wer sein China-Handy einrichtet, sucht vergebens nach Google-Apps, Play Store und Play-Diensten und findet stattdessen zahlreiche rein chinesische Apps. Das liegt daran, dass China zum einen die meisten Google-Dienste blockt und zum anderen Google in China keine Käufe über den Play Store zulässt. Die Lösung für das Problem: Selber nachrüsten oder eine angepasste Version kaufen.

Einige Hersteller bieten Installationsanleitungen für die fehlenden Dienste oder direkt eine internationale Firmware an. Nutzer-Foren oder auf China-Handys spezialisierte Seiten wie chinamobilemag.de oder chinahandys.net können ebenfalls weiterhelfen. Wenn das alles fehlt, muss man sich um ein Custom-ROM – also ein alternatives Betriebssystem – kümmern. Dabei gilt jedoch: Je unbekannter das Gerät, desto kleiner das unterstützende Team und damit die Chancen auf fehlerfreie Custom-ROM mit langfristigen Updates. Für die Recherche und das Einpflanzen eines Custom-ROM sollte man daher ein wenig Zeit einplanen.

Alle diese Informationen – ob der Play Store installiert ist, wie ich ihn andernfalls nachträglich installiere, ob es als letzten Ausweg ein Custon-ROM gibt – trägt man für sein Wunsch-Modell sinnvollerweise vor dem Kauf zusammen. Obige Foren helfen dabei. Findet man keine sichere Lösung, ist vom Kauf abzuraten.

Vorinstallierte Werbe-Apps verstopfen schnell die Statusanzeigen.

Wenn sich ein fehlerhafter oder gar bewusst so konstruierter Updater als Rootkit missbrauchen lässt – so wie es zuletzt bei mehreren Millionen China-Smartphone der Fall war – zeugt dies nicht von einer hohen Sicherheit bei der Original-Firmware. Das Problematische: Der Nutzer kann nichts unternehmen, da sich Apps nicht deinstallieren bzw. nicht immer deaktivieren lassen und auch Virenscanner nicht helfen. Bisher sind glücklicherweise nur fehlerhafte Apps und nicht ernsthafte Spionageversuche bekannt.

Doch allzu oft verlangen vorinstallierte Standardprogramme wie der Browser ungewöhnliche Rechte wie den Zugriff auf Kontakte oder den Standort, ansonsten laufen sie erst gar nicht. Deshalb kann man mit dem Aufspielen eines Custom-ROM für Ruhe sorgen. Ein angepasstes ROM vom Händler ist allerdings keine Garantie für eine saubere Software: Unseriöse Händler verdienen sich mit unerwünschter Werbung ein Zubrot.

Während WLAN, Bluetooth oder USB weltweit gleich funktionieren, gibt es bei den Mobilfunkfrequenzen Unterschiede, und zwar besonders bei den LTE-Bändern, weil die LTE-Chips gerade der günstigen Geräte nur eine beschränkte Zahl an Bändern unterstützen.

In Deutschland sind derzeit hauptsächlich die Bänder 3, 7, 20 sowie mittlerweile 8 (LTE900) im Einsatz, zukünftig möglicherweise 28 (ehemals DVB-T), 1 (noch UMTS) und punktuell 32 (nur Vodafone). Besonders auf Band 20 sollte man achten, da es zum einen hierzulande vorrangig für die Versorgung außerhalb der Ballungszentren zum Einsatz kommt und zum anderen in vielen asiatischen Varianten der LTE-Modems fehlt. Die Handys würden sich dann nur per UMTS/HSPA einbuchen, oder gar nur per EDGE, weil die Provider den 3G-Ausbau mittlerweile zurückfahren. Immerhin verliert diese Hürde mit jeder Gerätegeneration an Höhe, weil die LTE-Modems immer mehr Bänder unterstützen.

Der Kauf eines China-Smartphones ist mit höheren Risiken verbunden, daran wird sich so schnell nichts ändern. Doch die Gefahr eines kompletten Reinfalls ist gering, wenn man sich von windigen Händlern und undurchsichtigen Angeboten fern hält. Wer bereit ist, etwas Aufwand in die Recherche und Anpassung zu stecken, bekommt viel Leistung fürs Geld. Auch die Shops sind professioneller geworden, die Abläufe eingespielt, der Versand aus China funktioniert erstaunlich problemlos. Kompliziert wird es erst, wenn nicht alles nach Plan läuft. Dann kann man nur hoffen, dass Shop und Hersteller an einer schnellen Lösung interessiert sind. (jow)