Der Ring ist eröffnet
Beim Thema Gene Drive wurde die Gelegenheit zu einer sachlichen Debatte verpasst. Dass die Gates Foundation gleich eine PR-Agentur für die Lobbyarbeit engagiert hat, war keineswegs förderlich.
- Inge Wünnenberg
Die Warnungen sind nicht neu. Sie kamen gleich auf, als das Potenzial des Gen-Editing-Verfahrens CRISPR und vor allem der Gene-Drive-Technik offensichtlich wurden. Diese Turbovererbungsmaschinerie könnte mittels einem mit der Genschere CRISPR veränderten Gen, das sich zu fast hundert Prozent bei der Vererbung durchsetzt, ganze Populationen verändern.
Im schlimmsten Falle könnten Arten ausgerottet werden – zumindest in bestimmten Gebieten: Das ist die Befürchtung, die seither im Raum steht. Das ist aber auch der Wunsch, den einige mit der Technik verbinden. Angedacht wurde so ein Gene Drive etwa für jene Mücken, die Malaria übertragen. Neuseeland unterdessen erwägt die Ausrottung von eingewanderten Tieren, etwa Ratten, Possums und Wieseln, wie "Technology Review" bereits im Frühjahr 2017 berichtete.
Sieht man diese Dimensionen, verwundert es nicht, dass bereits Ende 2016 mehr als 160 Nichtregierungsorganisationen weltweit zu einem Gen-Drive-Moratorium aufriefen. Umgesetzt werden sollte es von den Unterzeichnerstaaten der Biodiversitätskonvention, der Convention on Biological Diversity, die jetzt im Dezember erneut tagten. Aber ähnlich wie all die Debatten über die genveränderten Pflanzen in den vergangenen Jahren schlagen die Diskussionen schon wieder enorm hohe emotionale Wellen.
Die Webseite des Fachblatts "Science" berichtete jetzt genauso darüber wie die "Frankfurter Rundschau": Hitzig geht es zu zwischen den Kritikern und jenen Wissenschaftlern, die nur der Forschung oder auch der Realisierung von Gene Drives offen gegenüber stehen. An einem Gene Drive zum Unschädlichmachen der Kirschessigfliege arbeiten zum Beispiel kalifornische Wissenschaftler. Finanziert wird diese Forschung, wie Technology Review berichtet, von Farmern, deren Ernten durch den zugewanderten Eindringling geschädigt werden.
Für diese wichtigen inhaltlichen Auseinandersetzungen, die rational von den Risiken und Chancen der Technik handeln sollten, ist jedoch ein gewisses Vorgehen gar nicht förderlich. Wie sich jetzt herausgestellt hat, beauftragte die Bill & Melinda Gates Stiftung die PR-Agentur Emerging Ag, der offenen, für den Austausch gedachten Plattform der UN-Organisation aktiv zuzuarbeiten. Doch Lobbyarbeit, so unschuldig sie auch gemeint sein könnte, hat immer einen gewissen Hautgout. Zumal, wenn das Auftragsvolumen des Deals nach Informationen der "Frankfurter Rundschau" 1,6 Millionen Dollar umfasst. Und natürlich hat das Ehepaar Gates ein – wenn auch wohl – humanitäres Interesse: Denn die Eheleute engagieren sich seit Jahren im Kampf gegen die Malariamücken. Am Ende stellt sich daher somit unverhohlen die Frage: Wäre ein wenig Zurückhaltung für ihre Interessen nicht gar dienlicher gewesen. Denn, wie man es auch dreht und wendet, dass die Diskussionen schon wieder zum Schlagabtausch geraten, ist bedauerlich. (inwu)