Leben ohne Ende?

Bei Tieren ist es Forschern längst gelungen, die Lebensspanne zu verlängern. Die Ergebnisse lassen sich allerdings nicht ohne Weiteres auf den Menschen übertragen. Einige Hoffnungsträger hat die Wissenschaft allerdings entdeckt.

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Lesezeit: 15 Min.
Von
  • Kendra Pierre-Louis
  • Inge Wünnenberg
Inhaltsverzeichnis

Jeden Tag, den ich uns dem Sieg über das Altern näherbringe, rette ich 100.000 Leben", sagt Aubrey de Grey. Die von dem Bioinformatiker und Biogerontologen mitgegründete Methuselah-Stiftung in Virginia verspricht, 90-Jährige so gesund zu halten wie 40 Jahre Jüngere. Das Endziel ist sogar, dass der Mensch – biologisch gesehen – immer 25 bleiben kann.

Seit jeher treibt dieser Traum die Erdbewohner um, und mit den jüngsten Fortschritten in der Biotechnologie scheint er vielen deutlich näher gerückt. Der "Spiegel" titelte im April dieses Jahres: "Ewiges Leben – wie der Mensch den Tod besiegen will". 2013 fragte das "Time Magazine": "Can Google solve Death?". Denn zuvor hatte der Digitalkonzern seine Tochter Calico gegründet, um genau diese Frage zu beantworten. 1,5 Milliarden Dollar bekamen die Forscher zur Verfügung, die Hälfte steuerte der Pharmakonzern AbbVie bei.

Andere kapitalkräftige Todesgegner teilen die Hoffnung, darunter der Investor Peter Thiel oder der Silicon-Valley-Milliardär Larry Ellison, Mitgründer der Softwarefirma Oracle. Sie alle glauben, dass neue Entdeckungen in Kombination mit besseren Heilmethoden den Durchbruch für eine Lebensverlängerung, möglicherweise sogar für ein ewiges Leben bedeuten könnten. Auch ein Forschungskaliber wie James Vaupel, Gründungsdirektor des Rostocker Max-Planck-Instituts für demografische Forschung, hält die "vermutete drohende Grenze für die durchschnittliche und die maximale Lebensspanne" für eine "jahrhundertealte Saga".

Könnte es also sein, dass die Vorstellung, den Tod zu besiegen, gar nicht so verrückt ist? Dass mit genügend Geld und Mühen das unvermeidliche Ende des Lebens so unvermeidlich gar nicht ist? Haben wir nicht unsere Lebenserwartung im vorigen Jahrhundert schon einmal verdoppelt? In den Antworten auf diese Fragen vermischen sich zweifelhafte Studien und seriöse Experimente, frühe Tierversuche und klinische Studien an Menschen bunt miteinander. In der Vielzahl der Publikationen geht das Gesamtbild leicht verloren. Jeder pickt sich vor allem das heraus, was seine These untermauert. Es ist also höchste Zeit für eine Bestandsaufnahme.

Da allem, was mit unseren Organen geschieht, zelluläre Veränderungen zugrunde liegen, liegen die größten Fortschritte im Verständnis einiger Mechanismen auf Zellebene, die den Alterungsprozess beeinflussen. Die Telomere zum Beispiel wirken an den Enden der Chromosomen wie Schutzkappen, nutzen sich aber mit der Zeit ab. Nobelpreisträgerin Elizabeth Blackburn sieht darin eine Ursache für das Altern: Wenn die Telomere nicht mehr richtig funktionieren, verursache das "Veränderungen im Körper, die das Risiko für die Hauptkrankheiten des Alterns erhöhen: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Krebs, ein geschwächtes Immunsystem und noch mehr", sagte die Präsidentin des Salk Institute in San Diego im TR-Interview.

Bisher gibt es allerdings keine durch wissenschaftliche Studien abgesicherten Präparate, die helfen, die Telomere instand zu setzen. Die US-Wissenschaftlerin verweist allerdings auf die Verbindung zwischen Körper und Geist: "Niemand hat geahnt, dass Meditieren und ähnliche Aktivitäten, die Menschen zur Stressreduktion und für ein besseres Leben praktizieren, eine heilsame und gut dokumentierte nützliche Wirkung haben."

Andere Forscher glauben dagegen, dass ein Schlüssel für das Altern darin liegt, wie Zellen miteinander kommunizieren und grundlegende Funktionen steuern, also Reparaturen oder Immunreaktionen. Fehler in diesen Signalwegen können zu Autoimmunerkrankungen, Diabetes und Krebs führen. Nun hat sich herausgestellt, dass ihre Modifikation zumindest in Tierversuchen auch Alterungsprozesse verlangsamen kann.

TR 10/2017

(Bild: 

Technology Review 10/2017

)

Dieser Artikel stammt aus der Oktober-Ausgabe von Technology Review. Das Heft war ab dem 14. September 2017 im Handel und ist im heise shop erhältlich.

Im Dezember letzten Jahres etwa erregte eine im Fachjournal "Cell" publizierte Studie des kalifornischen Salk Institute große Aufmerksamkeit. Forscher um Juan Carlos Izpisua Belmonte hatten im Labor Mäuse erschaffen, die an Progerie litten und dadurch vorzeitig alterten. In den Zellen der Tiere wurden die vier sonst nur im Stammzellstadium aktiven sogenannten Yamanaka-Faktoren aktiviert. Das Team schaltete die Gene über mehrere Wochen jeweils nur für zwei Tage die Woche an.

Dadurch lebten die Nager nicht nur um ein Drittel länger, sie entwickelten auch keinen Krebs, was bei einer ununterbrochenen Aktivität der Faktoren wahrscheinlich passiert wäre. Auch gesunde, ältere Mäuse unterzogen die Forscher der Behandlung. Diese wirkten anschließend verjüngt, Wunden heilten schneller.