Nicht ganz frei: Libre Computer

Ein neuer Raspberry-Pi-Konkurrent setzt auf offene Hardware und freie Software, mit besserer Linux-Unterstützung, aber ohne WLAN. Drei verschiedene Rechner wurden bereits per Crowdfunding finanziert.

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Ein weißes Board

(Bild: Libre Computer)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Peter Eisner
Inhaltsverzeichnis

Mit mehreren Crowdfunding-Kampagnen machte vor Kurzem das Libre Computer Project auf sich aufmerksam. Dabei ging es stets um SBCs (Single-Board-Computer), die rein äußerlich möglichst den aktuellen B-Modellen des Raspberry Pi (ab 33,99 €) gleichen sollen. Das Herzstück der Hardware bilden jeweils SoCs (System-on-a-Chip) verschiedener Hersteller, die man zum Teil bereits von anderen Bastelrechnern kennt.

Wie das "Libre" im Namen "Libre Computer" nahe legt, setzt das Projekt auf einen offenen Ansatz. In diesem Fall ist das mehrdeutig gemeint: Erstens ist die Hardware relativ offen konzipiert. Die Schaltpläne sollen frei zugänglich sein, so dass man (wenigstens theoretisch) Nachbauten und Derivate herstellen kann. Die Verfügbarkeit der SoCs auf dem freien Markt wurde bei deren Auswahl berücksichtigt – als Kontrapunkt zum Raspi, dessen SoC-Hersteller Broadcom einer monopolartigen Strategie zu folgen scheint. Zweitens wurden gezielt SoCs ausgewählt, die bereits eine relativ gute Unterstützung durch quelloffene Treiber im Mainline-Linux-Kernel mitbringen. Davon verspricht man sich, dass die Hardware langfristig mit regulären Linux-Distributionen "einfach funktioniert".

Codename Le Potato. Wäre da nicht die Farbe, sähe die Kartoffel dem Raspberry Pi zum verwechseln ähnlich.

(Bild: Libre Computer )

Erfolgreich finanziert wurden alle drei Modelle des neuen Herstellers. Bereits im Sommer 2017 setzte Libre Computer dem üblichen Fruchtcocktail mit "Le Potato" eine Kartoffel entgegen. Danach orientierte man sich mit "Tritium" an superschwerem Wasserstoff. Dessen Kern besteht aus drei Nukleonen – beim Tritium-Board hat man bei der gleichen Platine die Wahl zwischen drei verschiedenen "Kernen" in Form von pinkompatiblen SoCs. Zum Jahreswechsel endete die Kampagne für das leistungsstarke Modell "Renegade".

Le Potato wurde in der Kickstarter-Kampagne wenig bescheiden als der schnellste 4K-fähige Einplatinenrechner beworben. Mittlerweile hat der Hersteller geliefert und das Board ist bei LoveRPi erhältlich. Das SoC, ein Amlogic S905X, kennt man in ähnlicher Form aus dem Odroid C2. Während dort ein S905 (ohne X) seinen Dienst tut, bietet die X-Variante Hardware-Decoding für den Video-Codec VP9 und die HDR10-Bildausgabe mit 10-Bit-Farbtiefe. Zusätzlich ist Fast Ethernet integriert. Mit dem Verzicht auf einen externen Chip entfällt leider auch Gigabit-Ethernet.

Einplatinenrechner Le Potato im Detail

(Bild: Libre Computer )

Ein weiterer Mangel in Sachen Netzwerk betrifft alle Libre-Boards: WLAN fehlt völlig. Als Grund nennt der Hersteller die global schwierige Rechtslage bei der Zertifizierung funkender Hardware. Zudem seien USB-Dongles meist performanter als On-Board-Lösungen. Über die Taktfrequenz schweigt sich Libre Computer aus. Mit etwa 1,5 GHz dürften die vier Cortex-A53-Kerne (64 Bit) von Le Potato jedoch etwas langsamer sein als im Odroid C2. Der Arbeitsspeicher ist wahlweise 1 GB oder 2 GB groß (DDR3).

Nettes Detail: Die SD-Karten-Anbindung unterstützt Highspeed-Karten (UHS). Nach Herstellerangabe werden Lese- und Schreibraten um die 70 MB/s erreicht. Ähnlich wie bei den Odroids gibt es bei allen Libre-Computer-Modellen die Option, ein eMMC-Modul als Massenspeicher einzusetzen. Der Steckplatz befindet sich an der Unterseite der Platine. Als Betriebssystem wird Ubuntu 16.04 mit dem aktuellen Linux-Kernel 4.14 und Android 7.1 angeboten. Unabhängig davon gibt es bereits erste Images von der Community-Distribution Armbian, in Debian- und Ubuntu-Varianten.