Kommentar: Wir wissen, was du gestern gemacht hast oder warum nicht nur Strava-Daten gefährlich sind

Daten des Tracking-Anbieters Strava verraten nicht nur, wo es Militärbasen gibt, sondern auch dort stationierte Soldaten und ihre Heimat. Wenn das nicht die Gefahren der Datenberge in der Cloud deutlich macht, weiß Martin Holland auch nicht mehr weiter.

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Kommentar: Die Strava-Daten zeigen, wie gläsern wir sind und warum das gefährlich ist

Strava-Nutzer in Nevada

(Bild: Labs Strava)

Lesezeit: 3 Min.

Die Offenlegung von Militärbasen und Soldaten-Infos durch Strava vermittelt eine Ahnung von der ungeheuren Masse an Informationen, die wir kontinuierlich mit den Herstellern unserer Smartphones und Apps teilen, und was wir damit alles über uns preisgeben. Ich kann nur hoffen, dass die Strava-Affäre endlich dafür sorgt, dass sich jetzt wirklich jeder Gedanken darüber macht, was diese Unternehmen über uns wissen. Google, Facebook und andere sammeln noch viel mehr über uns, ohne dass uns eine "Globale Heatmap" das ansprechend visualisiert – ein Blick auf die persönliche Zeitachse bei Google Maps könnte heilsam sein. Diese Unternehmen können sich jederzeit entscheiden, solche Daten offenzulegen – oder aber eine Panne, ein Sicherheitsleck oder ein erfolgreicher Angriff stellen uns bloß. Die Konsequenzen wären unüberschaubar.

Ein Kommentar von Martin Holland

Martin Holland schreibt seit 2012 für heise online und c't. Lange Zeit beschäftigte er sich vor allem mit den NSA-Enthüllungen des Edward Snowden und deren Folgen. Nachdem die längst Geschichte sind, haben sich neben weiteren IT-Themen, vor allem auch zu gesellschaftlichen Folgen von Internet, Social Media, Künstlicher Intelligenz & Co. schließlich Astronomie und Raumfahrt als wichtige Schwerpunkte etabliert.

Eine globale Aktivitätskarte wie die von Strava – nur deutlich genauer – wächst dank dem Siegeszug von Android auf Googles Servern. Was diese Daten über uns verraten können, ist kaum zu überblicken. Schon aus dem Datensatz von Strava kann jeder Internetnutzer rasch eine Liste sportbegeisterter Bewohner beispielsweise eines Bundeswehr-Feldlagers in Mali abrufen. Weil die meisten Soldaten ihre Laufstrecken auch in der Heimat aufzeichnen, lässt sich danach herausfinden, wo sie hier wohnen. Schon mit diesen Daten könnten sie bedroht, erpresst oder durch vorgetäuschte Bekanntschaften kompromittiert werden – Stichwort "Social Engineering". All das hat direkte Auswirkungen auf die Sicherheit der Soldaten, ihrer Kameraden sowie ihrer Angehörigen und das nur weil sie "ihre Erlebnisse miteinander teilen und Erfolge zusammen feiern" wollen, wie Strava erklärt.

"Selbst schuld", mögen sich manche nun denken. Die Aktivitäten müssen ja nicht geteilt werden und Sport klappt auch ohne Tracker. Das stimmt – das öffentliche Tracking durch Strava lässt sich deaktivieren. Wer das unterlässt, gibt aber nicht nur sich selbst preis, sondern auch Kameraden, Mitarbeiter und Familienmitglieder. Genau deswegen kann man Strava – und all die anderen – nicht aus der Verantwortung nehmen, schon allein weil das öffentliche Tracking zumeist erst einmal deaktiviert werden muss. Auch die Gesetzgeber, die dem keinen Riegel vorschieben, tragen eine Mitschuld. Selbst wenn die Debatte um Strava nun dafür sorgen sollte, dass der Tracking-Anbieter die Überwachung seiner Nutzer künftig erschwert, die Datenberge bei Google & Co. bleiben bestehen. Und fast allen Nutzern sind die Vorteile ihrer Dienste und Geräte wichtiger als der zumindest in Teilen mögliche Schutz vor der grenzenlosen Neugier. Ich kann nur hoffen, dass jetzt vielleicht ein Umdenken beginnt. (mho)