Experten kritisieren Facebook wegen "Messenger Kids"

Facebook gefährdet die Gesundheit von Kindern – das zeigen viele Studien. In einem offenen Brief fordern Experten deshalb die Abschaltung des "Messenger Kids". Dessen Zielgruppe: Sechs- bis Zwölfjährige.

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Experten kritisieren Facebook wegen "Messenger Kids"

Facebook veröffentlichte den Messenger für Kinder, was Gesundheitsexperten kritisch sehen.

(Bild: Facebook)

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Jeremy Hunt ist wahrlich kein Facebook-Fan: "Haltet euch von meinen Kindern fern", forderte der britische Gesundheitsminister, als Facebook im Dezember den "Messenger Kids" vorstellte. Dessen Zielgruppe: Sechs- bis Zwölfjährige. Hunt zeigte sich sehr enttäuscht von Facebook und forderte das Netzwerk auf, verantwortungsvoller zu handeln. Auch andere Gesundheitsexperten sehen den Kinder-Messenger äußerst kritisch: In einem offenen Brief an Mark Zuckerberg formulierten sie ihre Sorgen und forderten Facebook auf, die App wieder vom Markt zu nehmen.

Aufgrund der Macht und Reichweite von Facebook sei anzunehmen, dass sich Messenger Kids zur ersten sozialen Plattform entwickeln werde, die die Grundschüler nutzen. Die Forschung zeigt jedoch, dass die übermäßige Nutzung von Smartphones und sozialen Medien schädlich für Kinder und Jugendliche sein kann. Messenger Kids könnte also ganz konkret die Entwicklung von Kindern schädigen: Sie "sind einfach noch nicht soweit, Social-Media-Accounts zu haben", schreiben die Autoren des offenen Briefs. Unterzeichnet haben ihn 97 Ärzte und Organisationen, die sich für das Kindeswohl einsetzen.

Mit dem "Messenger Kids" können Kinder mit ihrer Familie kommunizieren. Doch Gesundheitsexperten halten gar nichts von der App und fordern deren Abschaltung.

(Bild: Facebook)

Beziehungen in sozialen Netzwerken sind komplex und von Missverständnissen geprägt, schreiben die Experten. Kinder hätten noch kein ausgereiftes Verständnis für Privatsphäre. Sie wüssten oft nicht, welche Fotos und Videos sie in sozialen Medien veröffentlichen sollten – und welche nicht. Selbst erwachsene Nutzer hätten durchaus Schwierigkeiten mit der Komplexität und Dynamik der sozialen Medien. Es sei daher verantwortungslos, ausgerechnet kleine Kinder zu ermutigen, Facebook zu nutzen. Die Autoren verweisen als Beleg auf Studien, die etwa einen Zusammenhang zwischen Depressionen bei Teenagern und deren Nutzung von sozialen Medien zeigen. Zudem leide die Zufriedenheit mit dem eigenen Körper sowie die Schlafqualität der Jugendlichen. Anders gesagt: Soziale Medien und Smartphones können unglücklich machen und den Schlaf rauben. Zu diesem Schluss kam auch eine Langzeitstudie der University of California und der Yale-Universität.

Messenger Kids erhöhe außerdem die "Screentime" – die Kinder würden also noch länger auf die grellen Bildschirme starren. Für Eltern ist es jetzt schon schwer genug, die Kinder davon zu lösen, schreiben die Experten. Der Messenger Kids ermutigt sie nur noch mehr, das Smartphone in die Hand zu nehmen, vielleicht wartet ja schon eine neue Nachricht. Das ist ein Verhalten, das auch viele Erwachsene von sich selbst kennen (und hassen). Die Mechanismen von Apps und sozialen Medien sind so ausgelegt, dass sich Nutzer wieder und wieder mit einem Blick aufs Smartphone "belohnen". Eine neue Nachricht setzt sofort Glückshormone frei, aber nur kurz.

Die Experten sind sich einig, dass Kinder ihre Freundschaften unbedingt von Angesicht zu Angesicht aufbauen sollten – und nicht über einen Messenger. Nur so lernten Kinder, menschliche Emotionen richtig zu lesen und soziale Fähigkeiten zu entwickeln. Spielplatzfreunde sind unersetzlich und wesentlich wertvoller als Facebookfreunde. Wenn es einmal gar nicht anders geht, können die Kinder ja beispielsweise den Skype-Account der Eltern nutzen, empfehlen die Autoren. Eines eigenen Kinder-Messenger bedürfe es nicht.

Das alles ist nicht einfach, geben die Experten abschließend zu, die Erziehung von Kindern im Digitalen Zeitalter sei schwer genug. Genau deshalb soll Facebook die Eltern unterstützen – und den Messenger Kids abschalten. Ganz im Sinne von Peter Lustig. (dbe)